Bericht:4
Hilfe zum Umgang mit dieser Vorlage finden Sie auf der Seite {{Account}}. Mein Name ist Lyana, Zauberin aus Güldenfels - bis vor kurzem stand ich im Dienste des Grafen Ian von der Langen Hand. Dies ist mein Bericht über die Ereignisse anläßlich der Königswahl im Hochsommer diesen Jahres. Schauplatz dieser Geschehnisse: das Königsschloß in den Kernlanden.
Graf Ian, die Kämpferin Menerid und ich reisten von Güldenfels an, des Grafen Taschen wohl gefüllt mit Gold, schließlich galt es einen Thron zu erringen - oder zu erkaufen. Ein allzu förmlicher Empfang durch die Truchsessin und Erzmagierin Thyra stand uns bevor, höfisches Gehabe, wie es uns Güldenfelsern unbekannt ist - lästige Etikette! Bei Tisch mischten Menerid und ich uns unter die Gefolgsleute von Clannstead, eine wahrlich kuriose Mischung aus kultivierten Gelehrten und barbarischen Wilden. Noch während des Empfangs forderte Graf Ian die umgehende Wahl eines neuen Königs. So wurden die Fronten geklärt, als ein Adliger nach dem anderen sich erhob und eine feurige Rede schwang: die Nordmark schrie „Alte Macht!“ und kaum weniger laut der Laird von Clannstead: „Tod den Dämonen Westbergs!“. Der Graf von Sambriet, mit ebenso pathetischem Unterton, drohte Gheliand und Westberg zugleich. Allein die Marquesa von Aquilar und Ian selbst drohten mit Frieden. Daß alle Kandidaten ihre Stimme für sich selbst geben würden, schien unzweifelhaft, und so geschah es. Sodann wurde ein Tag lang Aufschub gewährt, und das Spiel um den Thron - der Tanz um Macht, Magie und Gold - eröffnet.
Noch an diesem Abend erhielt Güldenfels unerwartet fähige Unterstützung: durch den Kaufmann Kelben und seinen kampfeslustigen Pagen, Landril, den Kämpfer Tullio, den Schönschreiber Xenios und den Scholar Ismael. Ian erörterte den neu Hinzugekommenen gerade die aktuelle politische Lage anhand der Karte im Rittersaal, als der Laird von Clannstead und der Graf von Sambriet, händchenhaltend beinahe, dazukamen und der eine dem anderen die Einfälle der Orcs nach Llaarmor zu schildern begann... Es entspann sich eine Diskussion, und sogleich kam die oft gestellte Frage auf den Tisch: warum Güldenfels Grenze sicher sei, die von Sambriet jedoch nicht? Ein fulminantes Rededuell, in dem Ian den Grafen Azul durch Erwähnung dessen, was Jedermann sage und wisse, zur Weißglut trieb; der Graf indes beherrschte sich meisterhaft und konterte. Angriffe seltsamer Schattenwesen beendeten die Unterhaltung jäh.
Später an diesem Abend lernte ich die Marquesa von Aquilar kennen, eine schöne und scharfsinnige Frau, in der Tat „ganz reizend“. Zwischen Güldenfels und Aquilar waren die Gemeinsamkeiten offensichtlich: Niemand wollte einen Krieg; allein die Tatsache, daß Aquilar ein freies Llaarmor unterstützte, schien ein wahrhaft mißlicher Umstand. Gespräche wurden geführt und diplomatische Kontakte gepflegt; man suchte Verbündete und fand Gegner, es gab tausend Dinge zu tun und andere zu unterlassen, und zwischen beidem äußerst schnell und klug zu entscheiden. Ein Bündnis mit fast jedem schien möglich. So ging der Abend zuende, und man begab sich zu Bette. Der nächste Tag begann früh, und es waren viele Entscheidungen zu treffen. Graf Ian unterwies die neuen Kämpfer und Menerid vor der Burg im Schwertkampf. Gleich im Anschluß brach eine Gruppe unserer Güldenfelser durch das Portal ins Feenreich auf. Währenddessen erklärte Ian, daß es fast sicher zu einem offiziellen Wettstreit der Gefolgschaften um den Thron kommen werde, da eine einstimmige Entscheidung unmöglich zu erzielen sei. Ich kehrte auf den Burghof zurück. Allgemeine Geschäftigkeit vertrieb mich schließlich in die Bibliothek der Burg. Wenig Aufschlußreiches schien dort zu finden. Interessanter war es in der Kammer der Haushofmeisterin... Wenngleich ich Silber putzen mußte, um die Gelegenheit zu erhalten, etwa Bemerkenswertes zu erfahren.
Im Nachhinein stellte es sich heraus, daß es äußerst klug war, ein gewisses Schreiben mitzunehmen, das dort herrenlos herumlag, ich wünschte nur, ich hätte zugleich auch jenes hochmagische Amulett, aufgeladen mit grüner Magie, in meinen Besitz gebracht... Sei es drum. Aus Gefälligkeit überließ ich das Schreiben Sir Maltus von Aquilar, und wir eilten beide zum vereinbarten Treffen unserer Fraktionen. Gegen Mittag schlossen Aquilar und Güldenfels ein Bündnis, das nur durch die Tatsache getrübt wurde, daß Aquilar sich weigerte, Ians Thronanspruch vor dem der Marquesa anzuerkennen... Ich weiß, die tapferen Leute aus Aquilar würden diese meine Formulierung wohl mit allem Nachdruck verurteilen. Es galt nun, die anderen Kandidaten für den Thron wenn möglich auszuschalten und andere dazu zu bewegen, für das Bündnis zu stimmen. Jenes Schreiben aus der Kammer der Haushofmeisterin erwies sich, zusammen mit der Aussage des geschätzten Hauptmann Domitis, als wertvolles Zeugnis. Durch seine bloße Erwähnung gelang es den Leuten von Aquilar, den Grafen von Sambriet nicht nur von seinen Kriegsplänen abzubringen, sondern ihn auch zu einem eifrigen Verfechter des Bündnisses zu machen... Nein, fragt mich nicht, was der Hohepriester Lucius vom Schwan mit dieser Sache zu tun hatte! Kurz darauf begaben wir Güldenfelser uns zusammen mit Ian von Neuem zum Übungsgelände, wo die Kämpfer ihre Ausbildung fortsetzten. Ich zog mich zunächst an einen Ort der Meditation zurück, und das Aufeinandertreffen der Klingen, das Singen des Stahls drang nur gedämpft an mein Ohr. Etwas später suchten wir einen abgelegenen Ort im Wald zurück, an dem Ian uns in einer besonderen Kunst unterwies. Unsere Runde zerstreute sich kurz darauf, als zum Turnier in den Wiesen am Fuße der Burg gerufen wurde. Ich schloß mich den Kämpfern nicht an, versprach ich mir doch mehr davon, im Burghof Gespräche mit den Zurückgebliebenen zu führen... Ich gesellte mich auf eine Runde zu dem Narren Terken. Mit mäßiger Neugier bemerkte ich während des Würfelspiels in seiner kleinen Truhe einen offensichtlich magischen Gegenstand, einen Halbedelstein mit einer merkwürdigen Runenzeichnung darauf. Ihr könnt mir an dieser Stelle glauben, daß ich mich am liebsten selbst erwürgt hätte, mir sämtliche Haare einzeln ausgerissen, als ich später begriff, was ich dort gesehen hatte, ohne es zu wissen... verdammt, verdammt, meine einzige Entschuldigung ist es, daß ich diesen Gegenstand nie zuvor mit eigenen Augen gesehen hatte und ihn nicht erkannte. Dennoch könnte ich mich ohrfeigen, wenn ich daran denke, daß ich die Sache auf sich beruhen ließ... Immerhin konnte ich dem Narren entlocken, aus welchem Landstrich er das magische Ding hatte, doch selbst das brachte mein ausgedörrtes Hirn nicht in Gang! Oh ich Tochter einer Bergziege, ich Rindvieh, ich IDIOTIN.... wenngleich es mich nach wie vor in Rage versetzt, daß dieser TÖLPEL, der sich einen Räuberhauptmann schimpft, nicht besser auf seinen Besitz aufpassen kann! Nun, ich denke, in den heimatlichen Wäldern wird er Zeit genug haben, über seinen Fehler nachzudenken und ihn zu bereuen. Blutet, Ian von der Langen Hand, und rauft Euch Euer nicht grau werden wollendes Haar, und denkt an den Thron, den Ihr hättet einnehmen können! Dreimal verflucht dieser Narr Terken, mit noch längeren Fingern als die Euren.
Nun, ich greife vorweg, laßt mich in der Reihenfolge bleiben... Während die Kämpfer im Tal ihre Muskeln zerrten, schwitzten und bluteten, genoß ich die Sonne im Innenhof. Die Marquesa von Aquilar lud schließlich zu einem Spiel mit seltsamen Karten, genannt „Fate and Fortune“. Wir Güldenfelser haben noch nie nein zu einer kleinen Partie gesagt, nicht wahr? Und so saß ich gleich darauf am Spieltisch, ratlos und staunend, als der Narr die Regeln erklärte. Schon bald schaute ich sehnsüchtig auf die Brüstung, bereit, mich hinunterzustürzen, wenn mir das Gelegenheit gäbe, dem drohenden Desaster zu entkommen, das sich anbahnte. Petro, der Berater der Marquesa, riet mir energisch, den ausgesetzten Gewinn, ein Drachenei, für das Bündnis zu erringen, und als er mir tatsächlich einen Haufen Münzen in die Hand drückte und sagte: „Wenn Ihr mehr braucht, laßt es mich wissen“ überwand ich meine Trägheit. Die Tasche voller Gold, spielt es sich entschieden besser. Glaubt es oder nicht, ich gewann. Weder der jähe Tod Petros noch die fortwährenden Angriffe nervtötender Dunkelfeen konnten das Spiel endgültig unterbrechen. Sie zermürbten meine Nerven, das wohl, doch brachten wir schließlich, nach dem Wiederbeleben des Malville-Magiers, das Spiel zu Ende. Und so stand ich da, mit dem längst vergessenen Goldschatz des Petro in den Taschen und einem Drachenei in den Armen... Just zu dieser Zeit kehrte Graf Ian zurück. Während ich das Ei in mein Tuch wickelte und, gut bewacht von Sir Maltus, wie einen Schatz mit mir herumschleppte, kamen Ian, die Marquesa und der Graf von Sambriet zusammen, um über ihr Bündnis zu beraten. Es stellte sich heraus, daß wir Sambriet längst nicht alle Zähne gezogen hatten. Wasser war es auf den Mühlen der Aquilar-Leute, daß er sich weigerte, Ian auf dem Thron zu akzeptieren! Die Zeit wurde knapp, es schien unmöglich, das Bündnis mit Sambriet nur deshalb zu verwerfen. Zu stark dafür schien ein sich anbahnender Bund der Nordmark, der Schwertschwestern und Clannstead. Wir Güldenfelser zogen uns mit Ian zur Besprechung zurück. Was war zu tun? In dieser Stunde des Ränkeschmiedens wurde ein brillanter Plan geboren. Wenn man schon gezwungen war, die Marquesa auf dem Thron zu dulden, so konnte man sie doch wenigstens durch die List der Verführung dazu bewegen, ihn freiwillig mit Ian zu teilen? Mit einem gleichermaßen finsteren wie anklagenden Blick und einem Gesichtsausdruck wie Zahnschmerzen gab Ian unseren Überredungsversuchen schließlich nach. Der Scholar wurde ausgeschickt, rosafarbenes Papier zu holen, und Xenius damit beauftragt, Worte der Liebe zu dichten. Dies gelang ihm mit überwältigendem Erfolg, und nur kurz darauf gelangten die Marquesa und Ian in einem Gespräch unter vier Augen zu einer Einigung. Die Augen der Marquesa leuchteten verzückt, des Grafen Blick war jedoch der eines gehetzten Wildes...
Ich verlor die Hofintrige in der folgenden Stunde etwas aus den Augen. Fürwahr, es gab ein Ei, das ausgebrütet werden mußte. Ich wandte mich an Jandar von Laurengard, den Feuermagier. Er bekundetet den Willen, mir zu helfen, doch forderte er einen stattlichen Preis: ein Lied, von mir gesungen, um die Erzmagierin aufzuheitern. Ich stimmte zu, was blieb mir anderes übrig? Und so zogen Jandar und ich uns in den ersten Stock der Burg zurück. Was sich dort begab, ist eine Angelegenheit der Hohen Magie. Ich selbst verstehe mich auf manchen Zauber, doch was Jandar dort tat, vermochte ich nicht ansatzweise zu durchschauen. Er bedeutete mir, mich zu setzen. Direkt vor meinen Augen hüllte er das Drachenei in einen Glutball, den er mit Feuermagie weiter aufheizte. Sekundenlang schwebte das Ei in der Hitze, und ich starrte atemlos auf den glühenden Ballon... Plötzlich begann der Glutball zu erbeben, zu erzittern, und man hörte ein Knirschen, ein Knacken. Immer schwerer fiel es Jandar, die Feuerkugel zu beherrschen, und mit gewaltiger Kraftanstrengung schleuderte er sie endlich von sich. Ich sprang auf, und als ich um die Ecke sah, lagen dort die Schalen des Eis und daneben, zusammengerollt - ein Drachenjunges. Ich stand atemlos da, und vor meinen Augen begann das Drachenbaby sich zu regen und leise, fiepende Geräusche von sich zu geben. Mit aller gebotenen Vorsicht trat ich drauf zu und streckte die Hand nach ihm aus. Von diesem Moment an war ich die Ziehmutter eines Drachen. Glaubt mir, diese Aufgabe erwies sich anfänglich als eine wahre Plage. Der Drache, so zahm er war, besaß die ganze Unschuld eines Babys und ein Vielfaches an Neugier, Übermut, Trotz und Energie... Der Göttin sei Dank, war Menerid bereit, sich seiner anzunehmen. Nachdem die allzu scharfen Krallen des kleinen Drachen so einige Kämpfer angeritzt hatten, machte sie sich daran, den nimmer enden wollenden Spieltrieb zu befriedigen und mit dem Schwert mit ihm zu üben... Der Drache, obwohl noch klein, war ganz gewiß nicht harmlos! Und mich, die ich seine Geburt zu verantworten hatte, trafen viele böse Blicke. Zu dieser Zeit erhielt der Drache den Namen Grisu, einen Namen, der nicht meinem Kopf entsprang, wohlgemerkt. Wie eine aufgescheuchte Henne lief ich in der nächsten Zeit im Hof umher, um das Drachenbaby vom Unfug abzuhalten und zugleich die politische Sache Güldenfels‘ zu verfechten. Und da gab es in der Tat allerhand zu tun. Der Graf Azul von Sambriet, der wohl Lunte roch, wollte sich nicht damit zufrieden geben, daß Ian versprach, die Marquesa als Königin zu akzeptieren. Er wollte das Wort des Grafen von Güldenfels, daß dieser nichts anderes als einen Ministerposten in der Regierung der Königin einnehmen würde. Wieder zog sich die Fraktion von Güldenfels zurück, um zu beraten. Nie zuvor habe ich Ian von der Langen Hand in einer solchen Verfassung gesehen, glaubt mir! Sich den Schweiß von der Stirn wischend, wüste Flüche murmelnd, schritt er hektisch im Kreis auf und ab, packte seine Gefolgsleute beim Kragen, wie um sie dazu zu bringen, ihm einen Ausweg aus der bevorstehenden Ehe zu zeigen... ich wette mit Euch, hätte in diesem Moment ein gesatteltes Pferd bereit gestanden, er hätte sich darauf geschwungen und wäre geradewegs im Galopp davongeritten. Es schien, daß Ian sich in der Falle, die er selbst aufgestellt hatte, verfing. Nicht, daß ich es nicht genossen hätte, ihn sich so winden zu sehen! Doch zum Schluß hatte ich beinahe Mitleid. Als er sich nach langem Ringen schließlich mannhaft entschloß, sein Wort gegenüber der Marquesa zu halten und die Ehe mit ihr einzugehen - um als Minister in ihrer Regierung zu dienen - war sein Blick nicht mehr nur der eines gehetzten, sondern vielmehr der eines zur Strecke gebrachten Wildes. Die Verwünschungen, die er gegen den Grafen von Sambriet ausstieß, zeugten von purer Mordlust. Die Dinge schienen sich nun trotz allem recht günstig für Güldenfels zu entwickeln. Wenn auch nicht unbedingt für Ian selbst - doch ihr wißt ja, wir müssen alle Opfer bringen.
Bevor der Graf von Güldenfels und die Marquesa von Aquilar ihre Verlobung bekannt geben konnten, geschahen noch einige Dinge, die mit der Vertreibung einer Dunkelelfe zu einem vorläufigen Abschluß kamen. Das Volk schloß sich gegen die vermeintliche Abgesandte des Elfenreichs zusammen und entlarvten sie, doch sie entkam zurück ins Feenreich. Wenig interessant, nach meinem Dafürhalten, ich war mehr damit beschäftigt, Grisu zu bändigen, dessen Klauen schneller wuchsen, als uns allen lieb sein konnte. Und dann kam es endlich zu jener Ankündigung vor dem Volk, bei der Ian erklärte, daß er um die Hand der Marquesa anhalte und von seinem Anspruch auf den Thron zurücktrete, um sie künftig als Minister im Bereich des Handels und des Militärs zu unterstützen. Der Graf von Sambriet, wohl noch immer argwöhnisch, erklärte seine Unterstützung zu diesem Plan. Tatsächlich, es schien, als wäre der vorläufig bestmögliche Ausgang für Güldenfels erzielt.
Was dann geschah, treibt mir noch jetzt den Schweiß auf die Stirn. Es war diese verfluchte Elfe von den Bettelmönchen, die vortrat und Ian entgegenschleuderte, sie habe Beweise für einen Pakt mit der Dämonenkönigin von Westberg... bevor Ian noch reagieren konnte, schritt die Marquesa ein und forderte Lysande auf, sich mit ihr allein zu unterhalten. Die beiden zogen sich in den Kräutergarten zurück, dessen Durchgang von der Garde bewacht wurde. Wir Güldenfelser scharten uns um Ian, während sich alle übrigen fragten, welche Beweise die Bettelschwester wohl haben mochte. Wie die Bettelmönche später sagten, handelte es sich dabei um ein magisches Artefakt, einen Halbedelstein mit einem aufgezeichneten Pentagramm... Einige Augenblicke später ließen die Wachen Graf Ian und den Abt von Llaarmor zu der Marquesa und der Elfin vor. Niemand weiß genau, was geschah, doch kurz darauf hörte man Waffenlärm, Geschrei, und es verbreitete sich in Windeseile die Nachricht, daß Ian die Bettelmönchin niedergeschlagen habe und geflohen sei! Vergeblich suchten die Wachen und andere Kämpfer in den Wäldern nach ihm. Wie viele andere, begaben sich auch wir Güldenfelser vor die Burgtore. Langsam wurde klar, daß Ian entkommen war, und es keine Möglichkeit gab, ihn noch aufzufinden. So kehrten alle bis auf uns in die Burg zurück. Mein eigener Entschluß stand fest: ich würde für eine Weile in die Wälder verschwinden. Landril schloß sich mir an; die anderen wandten sich wieder in Richtung des Hofes. Grisu übergab ich der Obhut von Xenius. Der Jungdrache war wißbegierig, und Xenius wollte versuchen, ihn die Feuermagie zu lehren.
Landril und ich kehrten erst sehr viel später aus den Wäldern zurück; zu diesem Zeitpunkt neigte die Sonne sich schon längst gen Westen. Zurück bei Hofe, erfuhr ich zunächst, daß mein Drache nun Feuer spucken konnte... ich bin nach wie vor froh darüber, daß ich nicht dabei war, als er - wohl unabsichtlich - gerade den Magier anzündete, der ihn eben dies gelehrt hatte. Als ich wiederkehrte, hatte er seinen feurigen Atem schon etwas besser unter Kontrolle. Dennoch herrschte eine gewisse Uneinigkeit darüber, ob man wirklich Versuchen solle, ihm weitere Magie beizubringen - Die nun grafenlose Fraktion von Güldenfels sammelte sich nach dem Abendessen vor dem Tor der Burg, um das weitere Vorgehen zu erörtern. Wir beschlossen, weiterhin als Gruppe aufzutreten und die Marquesa in ihrem Ringen um den Thron zu unterstützen, in der Hoffnung, daß wir Zusicherungen für Güldenfels erhalten würden, und womöglich einer von uns als Sprecher für die Grafschaft in Frage käme. Immerhin war auf unserer Seite noch immer Grisu, der Drache, und so war unsere Verhandlungsbasis recht günstig. Die Marquesa verhielt sich bemerkenswert kooperativ. Wir sicherten ihr unsere Unterstützung für den Wettstreit zu, der sich für den folgenden Tag abzeichnete, da es unter den Kandidaten für den Thron nun zwei annähernd gleich starke Parteien gab. Glücklicherweise wurden niemand von uns mit Ians Verschwinden in Verbindung gebracht, und jenes mysteriöse Beweisstück tauchte nie wieder auf.
Im Laufe des Abends, während wir die Sache von Aquilar vorantrieben, lernte Grisu der Drache weitere Grundlagen der Magie. Es schien, daß vor meinen Augen das Drachenbaby erwachsen wurde. Glücklicherweise lernte er zugleich, seine Kräfte zumindest einigermaßen im Zaum zu halten, und als Mitternacht näher rückte, war der Drache ein mächtiger Verbündeter. Was gab es nun für mich zu tun? Da war noch immer jenes Lied, das ich Jandar schuldete, und um dem Unausweichlichen etwas länger zu entkommen, schoß ich mich einer Expedition an, die noch einmal in das Feenreich vordringen wollte. Über diese Expedition ist schon viel gesagt worden, doch laßt mich an dieser Stelle erklären, daß keine Geschichte darüber so bitter sein kann wie die reine Wahrheit... Es war eine Katastrophe. Mein Glück, daß ich darauf bestand, den Drachen mitzunehmen! Zwei Magier aus Imrith, ein Kämpfer aus Aquilar, der Drache und ich stolperten durch das Portal. Ein rätselhafter Kobold empfing uns, ein Rabe quälte unsere Ohren und verhöhnte uns. Wir meisterten eine tückische Falle, nur um uns dann einer Medusa gegenüberzusehen, und wir starrten und starrten... und mehr und mehr von uns starrten mit steinernen Minen. Ich weiß nur noch, wie ich wieder erwachte wie aus einem Schlaf, und man mir erklärte, daß mein Drache uns alle gerettet hatte. Eine Gruppe von Paladinen und Zauberern hatten ihren Weg durch die dunklen Hallen genommen und waren heldenhaft bis zu uns vorgedrungen. Wir zogen mit ihnen weiter und erreichten den Hof des dunklen Feenkönigs. Selbst in der Erinnerung erröte ich vor Scham, wenn ich an die qualvollen Minuten denke, die sich zu Stunden dehnten, während der Feenkönig uns verspottete und Zauberer wie Paladine unschlüssig und zögernd vor ihm standen, debattierten, verhandelten, es großzügig überhörten, daß er den Schwan als NICHTIG bezeichnete, überlegten, ob man ihm nicht doch ein Täßchen Tee überreichen solle? Nun übertreibe ich, doch glaubt mir, ich übertreibe nicht sehr. Schließlich entschlossen sich die übrigen doch noch zum Kampf gegen den König, und nach langer Zeit besiegten sie ihn. Die Toten mit uns schleppend, hasteten wir daraufhin zum Ausgang, da wir spürten, wie unsere Schutzzauber schwächer wurden... Es war die Falle, auf dem Hinweg elegant umgangen, die uns auf dem Rückweg zum letzten und schmählichsten Verhängnis wurde: blind stolpernd, rannte wir hinein, und Felsen und Säulen brachen über uns zusammen. Der Drache war es, der uns alle dort herausbrachte, bewußtlos oder tot. Ich kam wieder zu mir, stand mühsam auf und schleppte mich zur Burg. Ich bat die Elfe Lysande um Heilung - eine Tatsache, die mir verspätet zu Bewußtsein kam, was zeigt, wie erschöpft ich zu diesem Zeitpunkt bereits war. Und schon drohte mir neues Ungemach, es war der Zeitpunkt gekommen, mein Versprechen gegenüber Jandar einzulösen... Zu meiner Ehrenrettung sei gesagt, daß ich es wirklich versuchen wollte, ich trat zwischen die beiden meisterhaften Barden, ließ meinen Auftritt ankündigen, und dann stand ich da und brachte keinen Ton heraus... Nun, es war für alle besser so, glaubt mir: wer ein scheußliches Krächzen hören wollte, der hätte nur ins Feenreich gehen müssen, wo ein gerupfter Rabe, ein elendes Federvieh, den Weg versperrte. Noch immer war mein Tag nicht vorüber... Erschöpft ließ ich mich zwischen anderen Gefolgsleuten nieder. Wahrlich, ich hätte zu Bett gehen sollten, denn dann wäre ich dem Kobold entgangen, der plötzlich bei Hofe auftauchte. Ich rate euch allen, wenn Ihr ihn je trefft, flieht auf der Stelle, verärgert ihn auf keinen Fall und nehmt keine Geschenke von ihm an. Sie mögen nützlich sein, doch ich kann euch versichern, es gibt immer einen Haken dabei. Laßt es einfach. Glücklicherweise konnte ich die „Kleine Kappe der Macht“ an einen Verbündeten loswerden. Doch das geschah erst am nächsten Morgen. Ich ging erst zu Bett, als es hell wurde, und stand auf, als die Sonne gerade wieder schien. Für diesen Tag stand die Entscheidung an: der Wettstreit der Thronanwärter, die von ihrem Gefolge unterstützt wurden. Daß die Wendehälse, die sich auch Bettelmönche nennen, kurz vor Beginn des Spektakels die Seiten wechselten, sicherte der Marquesa den Sieg. Wahrlich, ein großartiger Wettstreit, ein großartiger Kampf des Drachen. Ich war eine der ersten, die der neuen Königin gratulierten. Die Krönung wurde zelebriert. Ich konnte mich noch in letzter Sekunde vor der ewigen Feindschaft des Feuermagiers Jandar bewahren, indem ich anbot, nicht ein Lied, sondern eine Geschichte zum besten zu geben, mochte sie so dürftig sein, wie sie wollte. Ich schied von der Burg mit einer Tasche voller Gold; hatte Aquilar doch gänzlich vergessen, daß man mir den gesamten Rest des Vermögen zum Kauf von Alraunen anvertraut hatte. Ich machte mir nicht die Mühe, jemanden daran zu erinnern. Statt dessen packte ich meine Sachen und zog gen Süden. Grisu begleitete mich zunächst, doch vor einer Weile trennten sich unsere Wege. Ich hoffe sehr, daß er wiederkehrt, er ist ein treuer Freund und ein starker Beschützer. Und das wäre doch Stoff für Legenden, eine Räubertruppe, die von einem Drachen begleitet wird... Ruhm und Gold werden unser sein. Ihr glaubt mir die Geschichte über den Drachen nicht? Nun, so seht doch einmal hinaus in die Dunkelheit, nach Süden, wo sich feurige Spiralen im Nachhimmel abzeichnen...