Postenbriefe

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In der guten alten Zeit, als wir alle noch ganz viel Zeit hatten, uns alle paar Wochen zum Plotplanen trafen und kaum zu Hause wieder an die Tastatur eilten, sind eine Reihe von Briefen entstanden, die zwischen Postenfiguren hin- und hergingen und uns auf die Spiele eingestimmt haben. Sie seien hier der Vollständigkeit halber aufgeführt.

Zwischen Spiel 9 und 10

Nach dem 9. Spiel (das Konzil von Imrith) finden sich einige Briefe von Miruin und Cerridwen, die sich ja endlich ihre Liebe gestanden hatten, an Bruder Dinivan. Einen dieser Briefe sowie den Bericht der Inquisition über Dinivan konnte man in Spiel 10 finden. Sie halfen der Untersuchungskommission, eine Verbindung zwischen Miruin und Dinivan zu etablieren, was endlich zur Anklage der beiden führte.

Miruin an Dinivan

Gheliand im Spätsommer des Jahres 3546

Möge der Schwan Eure Taschen leer und Euer Herz rein halten, Dinivan!

Wie von Euch angeraten, haben wir die Straße, welche von Imrith nach den Kernlanden führt, von der Schwesternschaft des Schwertes streng bewachen lassen. Es gelang Cerridwens Wächterinnen kurz nach dem Konzil, eine Botin der Inquisition abzufangen, die abgesehen von zu erwartenden, haßerfüllten Berichten über die Gesandtschaft der alten Mächte auch beiliegende Depesche in das Futter ihres Mantels eingenäht bei sich trug. Bedauerlicherweise kann sie nun aufgrund von Mißgeschicken während der eindringlichen Untersuchung nicht mehr befragt werden: Es gelang ihr, nach einem der zur Befragung bereitliegenden Instrumente zu greifen und sich selbst in einer schnellen Bewegung die Zunge herauszuschneiden. Wir wurden hinzugezogen und konnten sie noch veranlassen, über ein Nicken des Kopfes drei Verdächtige als Spione der Inquisition zu enttarnen, die Euch und uns in Imrith bespitzelten. In einem Zornesanfall haben wir ihr danach leider die Kehle durchbissen. Die benannten Spione kamen bei dem Versuch um, sich dem Zugriff durch die Schwesternschaft zu entziehen.

Beiliegende Depesche zeigt nur zu deutlich, daß gerade nach dem auch für den Orden der Bettelmönche positiven Ausgang des Konzils von Imrith sowohl das Überleben Eures Ordens, als auch Euer persönliches Wohlergehen auf Gedeih oder Verderb an den Erfolg der Rehabilitierung der alten Mächte gebunden sind.

Wir können uns in den nächsten Wochen nicht persönlich um die Sache der alten Mächte im Königreich des Sommers kümmern: Ein Lord von Gheliand kann es sich erlauben, von Zeit zu Zeit diplomatische Missionen zu unternehmen, doch sein Land regiert sich nicht von alleine. Wir senden diesen Brief daher durch Lady Cerridwen, der allein wir zutrauen, Euch auf Euren einsamen und verborgenen Wegen zu finden, ohne Euch gleichzeitig eine Horde von Spionen auf den Hals zu hetzen. Lady Cerridwen wird selbst die Öffnung einiger heiliger Orte vorantreiben und überwachen. Ihr Wort, wenn auch oft harsch und ungewohnt beleidigend, sollte Euch mindestens soviel wert sein wie unseres. Wir entbehren sie hier nur ungern, nicht allein, da sie eine großartige Taktikerin, eine Meisterin des Schwertes und eine außergewöhnliche Sängerin ist, sondern, wie Ihr wißt, auch aus dem Grund, daß unsere Lebensbänder sich verknüpft haben.

Seid wachsam! Wir haben in Imrith eine Schlacht am Verhandlungstisch gewonnen, doch vor uns liegt ein langer und beschwerlicher Weg, auf dem noch viele Schlachten warten. Die Depesche ist offenbar an einen obersten Inquisitor gerichtet. Der bisherige Großinquisitor ist jedoch, wie Ihr wißt, vom Hohepriester des Schwans abgesetzt worden und hat keinen offiziellen Nachfolger. Die Depesche zeigt also, daß die Inquisition lebt und daß sie nach wie vor ein Oberhaupt hat. Wir kämpfen lediglich von nun an gegen einen unsichtbaren Feind.

Möge der Schwan seine Schwingen schützend über Euch halten!

Miruin

P.S.: Wir hoffen, Lysande ist wohlauf und nach wie vor eine gelehrige Schülerin. Ihr Schicksal spiegelt auf bemerkenswerte Weise das Schicksal des Königreiches wider. Ihre grüne Herkunft, vermischt mit ihrer weißen Erziehung, ihrer außerordentlichen Begabung und dem Mut, den sie in Imrith bewiesen hat, lassen uns ahnen, daß sie in den kommenden Ereignisen zum Guten oder zum Bösen noch eine wichtige Rolle zu spielen haben wird, eine Meinung, in der wir uns mit der Inquisition ausnahmsweise einig wissen.

P.P.S.: Sendet keine andere Botin zurück als Lady Cerridwen! Die Zurücknahme der gegen die alten Mächte gerichteten Gesetze bedeutet noch lange nicht, daß unsere Nachrichten sicher reisen. Es ist in dieser kurzen Zeit des Aufatmens für Anhänger der alten Mächte wie für den Orden der Bettelmönche, daß wir besonders anfällig sind für Bespitzelungen und endgültige Zerschlagung durch den Feind.

===Der zugehörige Bericht der Inquisition

Geheimer Bericht über den Bettelmönch Dinivan, seine Rolle beim Konzil von Imrith nebst Abschätzung des Erfolges einer Anklage wegen Ketzerei und Hochverrat.

Die zu beschattende Person, der Bettelmönch Dinivan, wurde vom Oberhaupt des Ordens der Bettelmönche, Gavarius, nach Imrith gesandt, um Sir Rondrian für die Dauer des Konzils mit Rat und Tat zu unterstützen. Da Dinivan bislang kaum öffentlich in Erscheinung getreten war, rief seine Berufung durch Gavarius bei uns Überraschung hervor. Einen bislang völlig Unbekannten auf eine derart brisante Mission zu schicken, konnte nur bedeuten, daß Gavarius etwas im Schilde führte und zeigt nebenbei, daß unsere Überwachung des Ordens der Bettelmönche nicht halb so vollständig ist, wie wir bislang dachten.

Dinivans Geschichte konnte nur bruchstückhaft rekonstruiert werden. Inzwischen an die vierzig Sommer alt, zieht er die meiste Zeit des Jahres umher, um die Lehren des Schwans zu predigen. Begleitet allein von seiner Schülerin Lysande fällt er zunächst lediglich dadurch auf, selten ein Kloster aufzusuchen und nicht, wie unter Bettelmönchen üblich, in kleinen Gruppen von mindestens vier Personen zu reisen. Dieser Umstand allein hat jedoch nie eine Observation nötig scheinen lassen.

Auch sein öffentliches Auftreten beim Konzil von Imrith ließ zunächst nichts außergewöhnliches erahnen: Gegenüber dem Paladin des Schwans, dem bis dahin strahlenden Sir Rondrian, ließ er es an Ehrerbietigkeit und Unterwürfigkeit nicht mageln, gelegentliche verbale Ausrutscher wurden von Rondrian sofort und streng geahndet, die Entsendung Dinivans erschien mehr und mehr als eine wenig durchdachte Aktion des senilen Gavarius. Der Schein jedoch trügt, wie unsere gewissenhafte Beobachtung ergab.

Erstens: Der Orden der Bettelmönche hat, wie allgemein bekannt ist, ein Armutsgelübde abgelegt. Daß diese Armut nur vorgegaukelt ist, war eine Vermutung, welche die Inquisition schon lange hegte. Tatsächlich erlaubt es ein komplizierter Ablauf von Umverteilungen jedem einzelnen Bettelmönch als äußerst arm dazustehen, während der ganze Orden unermeßlich reich ist. Mit Dinivan scheint nun eine der seltenen Personen gefunden zu sein, bei der das Geld des Ordens sich anhäuft. Zur Zeit des Konzils gab es in Imrith wohl keinen wohlhabenderen Mann als den schäbig auftretenden Dinivan. Die Leute geben Bettelmönchen gerne und viel Geld, manchmal einfach so, manchmal für die Heilung ihrer Kranken, manchmal für außergewöhnlichere Dienste.

Zweitens: Denn Dinivan ist nicht nur ein Meister der Heilkunst, sondern beherrscht offenbar auch die selten gewordene Kunst des Meuchelns. Diese Fähigkeit hat er aler Wahrscheinlichkeit nach nicht nur seiner Schülerin Lysande beigebracht, sondern auch der Schwertschwester Ravenna. Dinivan verfügt also nicht nur über außergewöhnliche Fähigkeiten und Geldmittel, er teilt seine Kenntnisse auch mit dem schlimmsten Haufen Abschaum, den die grüne Gefahr je hervorgebracht hat.

Drittens: Dinivan hat aktiv zum desaströsen Ausgang des Konzils beigetragen. Noch ist nicht völlig geklärt, warum Rondrian, beauftragt, das Konzil scheitern zu lassen, nach nur einem Verhandlungstag fast sämtliche Forderungen der Gegenseite akzeptierte ohne noch irgendwelchen Widerstand zu zeigen. Daß Rondrian selbst sich zu einem solchen Schritt entschlossen haben könnte, ist ob seiner oftmals geprüften Loyalität für die Kirche ausgeschlossen. Rondrians Erklärung, einem seiner Paladine sei der Schwan persönlich erschienen, muß demnach als völlig unglaubwürdig eingestuft werden. Es kann dagegen davon ausgegangen werden, daß Rondrian, erfahren auf dem Schlachtfeld, der feinen Rhethorik eines Mönches hilflos ausgeliefert war. Daß es Dinivan war, der Rondrian für eine Zeit lang offenbar denkunfähig redete, zeigt sich auch daran, daß Dinivan öffentlich den Gesandten der alten Mächte, Miruin, und die Anführerin der Schwesternschaft des Schwertes, Cerridwen, aufgesucht hat, um mit ihnen zu verhandeln.

Viertens: Es erwies sich auch in anderer Hinsicht, daß Dinivans Entsendung offenbar ein gezielter Coup von Bruder Gavarius war. Denn Lysande, seine Schülerin, ist zweifelsfrei eine Elfe. Offenbar in Dinivans Obhut aufgewachsen, konnten wir über ihre Herkunft bislang nichts in Erfahrung bringen. Doch ist es wohl ihrer Anwesenheit zuzurechnen, daß Miruin und Cerridwen sich überzeugen ließen, überhaupt mit Dinivan und anschließend Rondrian zu reden. Es ist nicht auszudenken, welche integrative Kraft diese junge Adeptin noch entwickeln könnte, wenn sie schon bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt in der Lage ist, derartigen Schaden anzurichten.

Die genannten Fakten lassen ein Ableben Dinivans und Lysandes dringend angeraten erscheinen. Ein Prozess wegen Ketzerei und Hochverrat würde unweigerlich zu ihrer Hinrichtung führen. Da in dieser Hinsicht der Inquisition zur Zeit die Hände gebunden sind, empfehlen wir, beide von unseren Agenten ohne größeres Aufsehen dem Schwan zuführen zu lassen. Ein Prozess, der ihr Todesurteil posthum fällt, kann dann zu gegebener Zeit nachgeholt werden.

Möge der Schwan seine Schwingen schützend über Euch halten!

Das Auge des Schwans


Miruin an Cerridwen.

Peinlichster Elfenherzschmerz – es stand zwischenzeitlich zur Debatte, ob nicht einer von beiden in Spiel 10 sterben würde. Der Brief reflektiert diese traurige Phase der Planung.

Gheliand im Sommer des Jahres 3547

Geliebte!

Ich gebe Dir in der Tat Recht, wenn Du argwöhnst, daß das letzte Jahr auffällig ruhig vergangen ist. Die Beschlüsse des Konzils werden Deinen Beobachtungen zufolge ja zügig umgesetzt, obwohl wir wissen, daß die Inquisition nicht zerschlagen ist, daß Ihr Netzwerk an Beratern, Spionen und Truppen keinen Schaden enommen hat. Sicherlich hält der oberste Inquisitor, wer immer er sein mag, noch einige Trümpfe in der Hand und wartet nur auf den günstigsten Zeitpunkt, sie auszuspielen. Aber rechtfertigt das deinen Vorschlag, zu den Feiern der Königin getrennt anzureisen? Gar zu tun, als hätten wir uns wieder zerstritten? Die wenigen Frühlingswochen, die uns in Gheliand gegönnt waren, erscheinen mir so schrecklich kurz. Und nun, wo ich mich freute, Dich endlich einmal wieder in den Armen halten zu können, in den lichten Wäldern um die Burg zu lustwandeln, unsere Stimmen in trauten Liedern in Harmonie erklingen zu lassen und mein Lager mit Dir zu teilen, soll uns die elende Politik all das verbieten?

Wahrscheinlich hast Du Recht. Wir sollten vorsichtig sein, wir können nicht vorsichtig genug sein. Und dem Feind Uneinigkeit vorzugaukeln ist ein schlauer Schachzug. Daß Sir Rondrian und Bruder Dinivan sich gezwungen sahen, ihre Kontakte zu uns zu verheimlichen, um ihre Position innerhalb der Schwanenreligion nicht noch stärker zu gefährden, als das durch den Ausgang des Konzils ohnehin schon der Fall war, weißt Du ja. Beide lassen Dir aber ihre besten Wünsche zukommen und haben ausdrücklich geschrieben, daß sie sich auf ein Wiedersehen freuen – auch wenn wir unsere Freude hinter den alten Pöbeleien verstecken müssen. Wie die Schwanenbrut bei Hofe Rondrian ordentlich ins Gewissen geschnattert hat, als er aus Imrith zurückkam, kannst Du Dir denken. Bei Gelegenheit muß ich Dir Rondrians Brief zeigen. Erstaunlich, wieviel Humor in dem alten Kriegsknochen steckt. Nach allem, was man hört, ist er aber halbwegs rehabilitiert, obwohl er nach wie vor nicht müde wird, den neuen Willen des Schwans zu verkünden. Dinivan ist dem Hohepriester gar nicht erst unter die Augen getreten. Aber Rondrian meinte, Gavarius, das Oberhaupt der Bettelmönche habe sich eine ordentliche Standpauke anhören dürfen.

Vielleicht werden es ja wider Erwarten drei schöne Festtage. Das Tor zumindest ist eines der bedeutendsten, die Du Dir vorstellen kannst. Vor seiner Versiegelung führte es direkt ins Feenreich. Ich kann es kaum erwarten dieses schwer zugängliche Gebiet der Welt einmal wiederzusehen. Was wollen wir wetten, daß zu dieser Gelegenheit auch Jenjiyana, der alte, liebenswerte Quälgeist überraschend auf der Königin Burg erscheint?

Uns anfauchen und streiten erneut? Ach, wir schaffen es bestimmt, uns in der Nacht heimlich zu treffen, oder uns zu geheimen Verhandlungen über die Anzahl Eurer Küsse in eine unbeobachtete Ecke zurückzuziehen.

Gib auf Dich acht auf dem Weg, wenn Dir was zustößt, zieh ich Dir die Ohren lang.

Es küßt Dich Dein Miruin

Gedanken eines Bettelmönchs

Irgendwann zwischen Spiel 9 und Spiel 10 hat Dinivan sich hingesetzt und seine Lebensgeschichte niedergeschrieben. Auch er mußte befürchten, Spiel 10 nicht zu überleben. Ein weiterer Text, der es nie bis ins Spiel geschafft hat. Aber einer der informationsreichsten Texte überhaupt. Man kann schon sehen, warum dieser bedächtige Mann es später zum Nachfolger von Gavarius brachte. Er erklärt, warum er am Anschlag auf Miranda Khan beteiligt war. Man bekommt die Geschichte von Schwester Lysande erzählt, die bis heute für den Orden aktiv ist. Ganz nebenbei kann man einen Blick auf Thyra als grüne Magierin erhaschen, bevor sie sich der silbernen Magie zuwandte und Erzmagierin wurde. Und obendrein bekommt man einen Blick auf das Konzil von Imrith, der so ganz anders aussieht, als der von Sir Rondrian aus der offiziellen Chronik.

Es war gerade erst ein paar Wochen her, daß die Baronie Westberg dem grausamen Ansturm des Bösen zum Opfer gefallen war. Ich wanderte zu dieser Zeit nur wenige Tagesreisen nördlich der Baronie von Dorf zu Dorf, um die Lehren des heiligen Schwans im Sinne unseres Ordens zu verbreiten. Wie immer war ich alleine unterwegs, obwohl dies in unserem Orden recht ungewöhnlich war, da die meisten meiner Brüder und Schwestern in kleinen Gruppen durch die Lande reisten.

Doch ich war noch sehr jung und hatte schon immer die Angewohnheit, Probleme auf ungewohnte Art und Weise zu lösen und Wege zu beschreiten, die andere meiner Brüder und Schwestern wohl gemieden hätten.

Und so reiste ich immer allein... bis zu jenem Morgen, als sie plötzlich vor mir standen... eine Frau, offensichtlich eine Anhängerin der alten Macht und bei ihr ein Elfenkind von gerade einmal 8 Jahren. Die Augen des Kindes schienen in die Ferne zu blicken, als ob die Erinnerung an schreckliche Ereignisse ihrem Geist verboten, wieder am eigentlichen Leben teilzunehmen. Der Blick der Frau wirkte gehetzt... und gleichzeitig verzweifelt. Als sie vom Kind zu mir blickte, schimmerte ein Funken Hoffnung in ihren Augen, aber auch Unsicherheit, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hatte.

Und in dem Moment erinnerte ich mich, wie ich selber mit eben solch einem Blick erst wenige Jahre zuvor bei unserem Obersten Ordensführer Bruder Gavarius stand und in seinem Orden Zuflucht fand... den Bettelmönchen von Larmoor.

Wie verzweifelt mußte die Grüne sein! Wie immens groß war ihre Not, daß sie sich an einen Anhänger des Schwanenglaubens wand? Sie mußte wissen, daß, sollte sie die falsche Person angesprochen haben, ihr leben und das des Kindes innerhalb kürzester Zeit verwirkt war.

Doch meine Auslegungen der Lehren des Schwans deckten sich nicht unbedingt mit denen der Hohepriester und Paladine, so daß ich das Kind wortlos in meine Obhut nahm. Die Magierin verschwand, nur den Namen des Kindes nennend, aber ohne ein Wort der Erklärung über die Vergangenheit und den Zustand des Kindes. Ich nahm an, daß ich sie nie wieder sehen würde.

Ich verheimlichte allen anderen die wahre, die elfische Natur des Kindes. Ich ließ ihr das Haar lang wachsen, ließ sie bei jeder Gelegenheit die Kapuze ihrer Kutte aufsetzen und begab mich mit ihr noch mehr auf Wanderschaft, damit Bruder Gavarius und meine anderen Brüder und Schwestern im Kloster nichts davon erfuhren. Ich gab sie als menschliches Findelkind aus mit dem Namen Lysande.

Sie wurde zu meiner Schülerin und von nun an reiste ich nie mehr allein...

Beinahe 25 Jahre gingen seit dem ins Land. Lysande entwickelte sich zu einer hervorragenden Schülerin und sie wurde für mich zu einer Tochter, wie sie nicht hätte besser sein können. Doch niemals hätte ich erwartet, daß sie mein Leben, ja sogar das Leben aller Bettelmönche so stark verändern würde.

Wir Bettelmönche von Larmoor standen schon immer im Schatten der Hohepriester und Paladine des Schwans, wurden von ihnen geduldet, mußten tun, was immer sie verlangten. Wir waren zu wenige und zu schwach, um uns gegen die große Zahl der Paladine zu wehren. Hätten wir auch nur einmal versucht, uns dem Willen der Paladine zu widersetzen, so glaube ich, hätte man die Bettelmönche von Larmoor nicht einmal mehr in Aufzeichnungen wiedergefunden.

Doch dann kam das Konzil, zu dem unsere Königin Miranda Khan, möge der Schwan sie schützen, aufgrund der Erzmagierwahl und der Prophezeihung der Hexe Shota von Larmoor gerufen hatte.

Unser Oberster Ordensführer Bruder Gavarius rief mich zu sich. Ich weiß nicht, ob er zu diesem Zeitpunkt Lysandes elfische Herkunft kannte, oder etwas ahnte, er hat es mir bis heute nicht verraten. Er schickte uns nach Imrith, um Sir Rondrian und seine Paladine bei dem Konzil zu unterstützen, aber auch, um zu sehen, ob sich eine Gelegenheit ergebe, die Situation für die Bettelmönche zu verbessern und sei es nur dadurch, daß wir Sir Rondrian besonders gut unterstützten.

Nun... daß wir Sir Rondrian nicht unbedingt so gut halfen, wie er sich das gewünscht hätte, dürfte wohl spätestens seit der ergreifenden Offenbarung Lysandes am Ende des Konzils klar geworden sein. Doch war es gerade Lysandes Abstammung von den Elfen, die es uns, den Bettelmönchen von Larmoor, erlaubte, die ersten Steine für die Brücke zwischen der Alten Macht und den Anhängern des Glaubens des Schwans zu setzen. Denn am Anfang des Konzils waren die Fronten auf beiden Seiten verhärtet, um nicht zu sagen, versteinert und hart wie eine Felswand. Sir Rondrian gab kein bißchen nach, als es darum ging, sich mit Lord Miruin oder Lady Cerridwen an einen Verhandlungstisch zu setzen, glaubte er doch nicht einmal an die Prophezeihung der Hexe Shota, daß dies der einzige Weg war, das Böse aufzuhalten.

Lord Miruin und Lady Cerridwen glaubten zwar an die Prophezeihung, wollten jedoch erst mit Sir Rondrian reden, wenn dieser die Verbrechen, die an den Völkern der Alten Macht im Namen des Schwans durch die Inquisition begangen wurden, öffentlich zugab und Wiedergutmachung versprach, die Miruin und Cerridwen forderten.


Auch ich, Bruder Dinivan, als Vertreter der Bettelmönche darauf bedacht in Ruhe mit ihm zu reden, wurde von Lord Miruin beleidigt und beschimpft, als ich das erste Mal das Gespräch mit ihm suchte.

Niemand schien etwas daran ändern zu können, daß sich Schwan und Alte Macht keinen Deut annäherten. So verstrich immer mehr kostbare Zeit, von der es so wenig gab...

Und so kam es, daß Lysande ihr Elfenwesen Miruin und Cerridwen offenbarte, und ihnen damit zeigte, daß sich Alte Macht und Schwan, zumindest bei einigen Anhängern durchaus vertragen konnten. Sie machte ihnen klar, daß nicht alle Schwanenanhänger für die Gewalt und die Verfolgung gegen die Völker und Heiligtümer der Alten Macht verantwortlich waren. Ich glaube, ohne sie wäre es nicht möglich gewesen, daß ich dann schließlich doch noch erst mit Cerridwen und dann mit Miruin reden und ihn dadurch zum Gespräch mit Sir Rondrian bewegen konnte.

Daß das Ergebnis der Gespräche für die Alte Macht und damit für Miruin und Cerridwen ein Erfolg und für Sir Rondrian eine bittere Pille war, hatte wohl am Ende des Konzils jeder mitbekommen.

Gleichzeitig hat Lysandes Offenbarung und unsere heimlichen Bemühungen bei den Gesprächen unseren Orden einen großen Schritt weiter gebracht, heraus aus dem Schatten der Paladine. Allein dies ist ein Grund, daß das Konzil auch für uns ein voller Erfolg war, und so lange die Beschlüsse eingehalten werden und die Alte Macht anerkannt wird, wird man auch an die Bettelmönche denken, die daran nicht unbeteiligt waren.

Ich weiß nicht, was die Zukunft unserem Orden bringen wird, aber ich glaube, ohne den Erfolg beim Konzil wären wir früher oder später unter den Paladinen ganz verschwunden gewesen. Und darum müssen wir alles dafür tun, um nicht eines Tages wieder einen Schritt zurück gehen zu müssen, einen Schritt, der vielleicht unser letzter sein könnte...

Bruder Dinivan

Zwischen Spiel 10 und 11

Brief an Dinivan

Zwischen Spiel 10 und Spiel 11 lag ja die dritte Auflage des ersten Winterspiels. Heiko nahm ausnahmsweise als Spieler teil und um ihm eine Freude zu machen, bekam er im Spiel diesen Brief. Man erfährt so dies und das über die Entwicklungen nach Spiel 10 und es gibt sogar schon eine erste Vorausdeutung auf die Dunkelelfen, die den Streit um die Krone stören sollten. Offenbar waren die schon in Planung. Nebenbei erfährt man etwas über die zwei Bettelmönche, die nach der Befreiung Rondrians mit nach Gheliand geflohen waren. Die elfischen Daten (schon wieder das Jahr 3546) sind offenbar völlig chaotisch verwendet.


Gheliand im eilften Monat des Jahres 3546

Möge der Schwan Eure Taschen leer und Euer Herz rein halten, Dinivan!

Wir senden diesen Brief auf dem üblichen Weg. Sollte er Euch auf andere Weise erreichen, so zögert nicht, den Boten ohne Bedenken zu töten. Wie Ihr bemerkt haben werdet, wenn Ihr diese Zeilen lest, haben wir den Zauber, welcher das Siegel schützt, modifiziert. [grüner Zettel unter dem Siegel: Wer dies liest und also den Brief geöffnet hat, ohne vorher einen Gegenzauber (oder Schlösser öffnen oder so) auf das Siegel zu zaubern, wird von einem Feuerball getroffen (-3BP). Soll es dick kommen, kann das für alle Umstehenden auch noch gelten.] Beginnen wir mit dem Erfreulichen: Gheliand blüht trotz es eingeschränkten Handels mit dem Königreich des Sommers. Sicher lastet nach wie vor die Last der vielen Emigranten schwer auf uns, doch hat sich die merkantile Situation stabilisiert. Allerdings hat sich die Anzahl der Zwischenfälle an der Grenze zum Königreich des Sommers erhöht. Jede Woche fassen die Wächter Menschen, die bewaffnet und mit Insignien des Schwans versehen versuchen, nach Gheliand einzudringen. Ob sich dahinter jedoch eine geplante Aktion verbirgt, ließ sich bislang nicht feststellen.

Die wenigen, welche mit uns bis nach Gheliand flohen, haben sich hier gut eingelebt, wenn man bedenkt, daß manche von ihnen noch nie mit elfischen Sitten in Berührung gekommen waren. Eure beiden Bettelmönche tun sich in dieser Hinsicht besonders schwer. Fast täglich versuchen sie, uns zu einem asketischeren Lebensstil zu überreden und es tut mir leid zu sagen, daß wir mehrfach verschwundene wertvolle Gegenstände in ihrem Besitz wiederfanden. Ihr solltet überlegen, ob es für die beiden nicht auf Dauer sicherer wäre, ins Königreich des Sommers zurückzukehren.

Die Lady Cerridwen, obwohl an meinem Hof aufgewachsen, wurde mißtrauisch beäugt, als deutlich wurde, daß wir die Regierungsgewalt mit dieser Halbelfe zu teilen gedenken. Tatsächlich ist ihr kriegerisches Gemüt und ihr aufbrausendes Naturell manchmal nicht vereinbar mit politischer Klugheit. Nicht umsonst heißt es, Diplomatie sei die Kunst bis zum nächsten Jahrtausend zu überleben, Politik dagegen die Kunst zu überleben bis zum nächsten Freitag. Nun, wie dem auch sei, Lady Cerridwen hat sich durch einige beherzte Auftritte und mutige Entscheidungen viel Rückhalt verdient. Wir zweifeln nicht daran, daß sie einmal eine weise und gefährliche Herrscherin sein wird. Sie läßt Euch herzlich grüßen.

Rondrian, den ich zu seinem eigenen Schutz und entgegen seiner Fähigkeiten nicht als Heerführer sondern als Ausbilder zum Schwertkampf eingesetzt habe, hat sich aufgrund seines Könnens längst das nötige Ansehen erworben, die ihm angemessene Position einzunehmen. Erst gestern baten unsere Generäle um eine Audienz, in welcher sie die Ungerechtigkeit beklagten, daß dieser fähige Mann keiner der ihren sei. Wir haben ihnen versichert, Rondrian demnächst zum General zu erheben.

Oft trifft man Rondrian in eine tiefe Melancholie versunken, die der Verrat seiner Paladine in ihm ausgelöst hat. Aus diesem Gemütszustande kann ihn nur sein geliebtes Schwert reißen oder aber das Lustwandeln mit Elfenmaiden, die sich um einen Abend mit Rondrian gegenseitig die Augen auskratzen. Daß Rondrian in seine abendlichen Spaziergänge durch die Gärten auch lange Besuche der inneren Gemächer der Lady Cerridwen einschließt, geruhen wir zur Zeit wachsamen Auges zu tolerieren. Wir nehmen an, daß ihn die für Menschen ungewohnte Freizügigkeit der elfischen Sitten zu diesem Fauxpas verleitete. Rondrian ist begierig zu erfahren, wie es bei Hofe steht und läßt Euch den Segen des Schwans ausrichten.

Doch genug der schönen Worte. Unsere Sorgen betreffen vor allem die starken antimenschlichen Tendenzen in Gheliand und den übrigen nichtmenschlichen Reichen. Das Ansehen, welches Cerridwen und Rondrian genießen, stellt leider eine Ausnahme dar. Immer häufiger müssen wir zu Gericht sitzen über Elfen, die Flüchtlinge aus dem Königreich des Sommers geprellt, betrogen oder gar angegriffen haben. Und die Vogelfreiheit unserer Person ist nicht dazu angetan, ihre Gemüter zu besänftigen. Die öffentliche Meinung ist deutlich. Man erwartet von uns, daß Königreich des Sommers zu überrennen, solange es geschwächt und ohne Herrscherin ist, um die Diktatur des Schwans ein für alle Mal zu brechen. Beruhigt Euch, bester Dinivan! Unter unserer Herrschaft wird es einen solchen Krieg nicht geben.. Aber Gheliand ist nicht das einzige Land, in dem der lange gärende Haß gegen den Schwan sich mit der Wahrnehmung der momentanen Schwäche des Königreichs des Sommers zu einer explosiven Mischung verbindet. Selbst tumbe Orcs können die Chance riechen, die sich ihnen hier bietet. Eine inoffizielle Gesandtschaft rebellierender Feen hat uns ihre Hilfe für den Fall eines Angriffs versprochen, die ich natürlich umgehend abgelehnt habe, indem ich sie gebunden als Freundschaftsgeschenk an den Feenhof schicken ließ. Von den Zwergen der nördlichen Berge weiß man nicht viel, hält man nicht viel. Die verschiedenen Goblin-Stämme verhalten sich dagegen auffallend ruhig. Zwar ist es auch früher schon vorgekommen, daß wir eine Zeit lang Ruhe hatten vor ihren Angriffen. das ist für gewöhnlich aber nur der Fall, wenn sie sich untereinander bekriegen. Dem aber ist im Moment nicht so. Siehst du zwei Goblins friedlich nebeneinandersitzen, so spanne deinen Bogen, lautet eines unserer Sprichwörter.

Die Centauren, auch sie in einzelnen Stämmen organisiert, geht Diplomatie wenig nahe. Sie werden erst dann kriegerisch aktiv, greift man ihre Weidegründe an. Von den Drachen des Westens dagegen hört man Vermischtes. Megara, meine alte Lehrmeisterin, besucht mich von Zeit zu Zeit, aber es ist schwer, einen Drachen auszufragen. Nichts als Rätsel, Lächeln und verklausulierte Botschaften. Noch dazu plaudert sie lieber mit Rondrian, fragt ihn über Drachen aus und macht ihm schöne Augen. Der Gute ahnt selbstverständlich nichts von ihrem Naturell und angesichts seiner Meinung von Drachen lassen wir ihn auch lieber im Dunkeln. Er wirkte erschöpft, als sie zuletzt den Hof verließ... Aber ich gerate ins Plaudern.

Zum ersten Mal seit Jahrzehnten weiß ich die diplomatischen Zeichen nicht zu deuten. Aber es kommt ein Sturm und ich kann nur hoffen, daß er nicht Gheliand gilt.

Ach Dinivan! Seit Sammarkhand von den Horden des Chaos überrannt wurde, sind wir auf dem Rückzug. Was würde ich nicht geben, einmal die Zinnen der Ghothu Fhamir zu blicken, des prachtvollsten Palastes Sammarkhands. Ihre wehenden, Blatt für Blatt baumgleichen Grüntöne, die sich mit den Jahreszeiten färbten, sind für immer verloren. Das schöne, grazile Eleia an die Orcs gefallen, das mächtige Cathlan und seine Flotte im Meer versunken: Von den fünf großen Elfenreichen existiern nur noch zwei, Gheliand und Khorunt. Aber Khorunt liegt weit und seit Jahren hat uns keine Nachricht von dort mehr erreicht, Expeditionen, die auszogen, es zu finden kehrten um oder waren nie wieder gesehen. Was jammere ich?

Es verlangt mich nach Neuigkeiten. Werden die heiligen Orte der alten Macht weiter umgewandelt? Wie schlagen sich Kaya und Lochlan als Vertreter der Delegation der alten Macht? Wißt Ihr genaueres über die Inquisition? Ich brenne, von Euch zu hören.

Mögen Eure Füße auf Moos wandeln und Eure Magie stark sein!

Miruin, Lord von Gheliand

Noch ein Brief an Dinivan

Ein Brief, der wie eine langweilige Version des vorigen klingt. Ob das die erste Version war oder ob er wirklich verschickt wurde, läßt sich nicht mehr feststellen. Gheliand im Winter des ersten Jahres Unserer gemeinsamen Regentschaft

Bester Dinivan!

Die Gärten des Palastes strecken sich unter Unserem Fenster grün und heiter bis zum Horizont. Es ist dieser erstaunliche optische Effekt, der die Gärtnerinnen von Cathlan, die diese Anlagen erdachten, berühmt machte. Die laue, angenehme Luft eines frühen Winternachmittags steigt herauf und trägt mit sich die tausend Aromen der Gärten.

Lyzandelblüte, Gueremante und die stolze Banduriole stehen in voller Blüte, ein beständiges Summen eifriger Bienen unterlegt die perlenden Töne der Brunnen und kleinen Wasserfälle mit einem beruhigenden Bordun. Über die Brücken wandeln singend und plaudernd Gruppen von Elfen, ihre Gewänder blühen wie die Blüten erlesener Gewächse, ihre Instrumente tupfen Melodien in die Symphonien der Gärten.

Die Wachen unter Unserem Fenster sind beinahe unsichtbar. Nur Wir wissen von den Sicherheitsmaßnahmen, die Wir sonst noch ergriffen habe, diese Idylle zu schützen. Gheliand ist Zuflucht für Viele vor den Wirren unserer Zeit und hier mag es scheinen, als liege es gänzlich geschützt außerhalb der Zeit. Doch das ist –leider– nicht wahr.

Keine Antwort von Euch zu erhalten, keine Botschaft über den Stand der Dinge im Königreich des Sommers vom Oberhaupt der Bettelmönche, ist beunruhigende Nachricht für sich. Wir hoffen, Ihr befindet Euch wohl, müssen aber mit dem Schlimmsten rechnen. Wäret Ihr doch noch des Hochverrats angeklagt worden, so hätten Wir wohl davon gehört. Aber seid Ihr Opfer eines Anschlags geworden oder nur auf einer Eurer vielen Reisen durch das Königreich, daß Ihr keine Gelegenheit findet, Uns zu antworten? Oder hat das Oberhaupt der Bettelmönche mit einem Mal besseres zu tun, als seinen Freunden zu schreiben?

Voller Freude haben Wir die Nachricht empfangen, daß Ihr zum Oberhauptes des Ordens der Bettelmönche aufgestiegen seid. Es tut gut, einen verständigen Menschen an der Spitze einer der einflußreichsten Organisationen des Königreichs des Sommers zu wissen. Mögen die Flügel des Schwans Euch Schatten spenden und Eure Gedanken weit tragen!

Man berichtete Uns, Thyra werde tatsächlich eine Königswahl stattfinden lassen, nachdem verschiedene Adlige schon geargwöhnt hatten, sie plane, für den Rest ihres Lebens Truchsessin des Reiches zu bleiben. Es spricht für Thyras politische Weitsicht, daß sie diese Möglichkeit nicht in Erwägung gezogen hat. Ihre Chancen bei einer Wahl stehen sehr gut und als Königin regiert es sich wesentlich einfacher als als Truchsessin. Auch die Wahl des Domitis von Perdruin zum neuen Hauptmann der Sonnengarde deutet Kenntnis und sicheres Gespür an. Doch fehlt uns Kunde von den übrigen Anwärtern auf den Thron. Was gibt es über sie zu berichten?

Da ist noch eine andere Sache. Wir sind in Sorge, Dinivan. In ernster, finsterer Sorge. Und wenn es sich irgendwie vermeiden läßt, werden Wir nicht riskieren, davon in Briefen Kunde zu geben. Macht einen Abstecher nach Gheliand. Worte reisen nicht länger sicher.

Die Grenztruppen sind von Eurem Kommen unterrichtet. Gebt Euch nur zu erkennen wie Wir Euch gelehrt haben und Ihr werdet unbehelligt reisen. Die Schützen haben Anweisung, sich nicht zu zeigen. Eure Begleiter werden ebenfalls sicher reisen. Doch ein Zeichen Eurer Hand genügt und Ihr seid unwillkommene Reisegefährten los.

Gerüchten zufolge befindet Ihr Euch auf dem Weg nach Güldenfels und so sendet die Lady Cerridwen die Schwertschwester Ravenna mit diesem Brief zu Ians güldenen Hallen. Sie ist, wie Ihr sehen werdet, zur Zeit eine besonders unverdächtige Botin.

Möge der Schwan Eure Taschen leer und Euer Herz rein halten.

Cerridwen ni Modron und Miruin von Westberg

Lady und Lord von Gheliand

P.S.: Sir Rondrian läßt seine Glückwünsche und seinen Segen ausrichten. Er gefällt sich in seiner neuen Rolle als General außerordentlich. Es stärkt das Selbstbewußtsein eines Herrscherpaares ungemein, weiß es einen Berater zu seiner Seite, der die Taktik des gefährlichen Nachbarn nicht nur perfekt beherrscht, sondern auch ihre Schwächen kennt.

Hauptmann Domitis an die Truchsessin Thyra

Vor Spiel 11 gab es auch den ausführlichsten Briefwechsel unter Posten, der nie in Spielerhände gelangt ist. Domitis von Perdruin, neuer Hauptmann der Sonnengarde, versuchte weitreichende Änderungen in den verkrusteten Strukturen des königlichen Palastes durchzusetzen – und mit einem Mal hatten alle ein Wort mitzureden.

Hochverehrte Truchsessin Erzmagierrin Thyra von Imrith

Ich möchte Euch noch einmal für Euer Vertrauen danken, mir die Führung der Sonnengarde zu übertragen, wo doch so viele andere sich um diesen hervorragenden Posten gerade zu reißen. Wenngleich ich von Anfang an wusste, dass es keine einfache Aufgabe sein würde aus diesem, verzeiht meine Wortwahl, Sauhafen eine schlagkräftige Truppe zu machen. wurden meine schlimmsten Erwartungen übertroffen.

Leider musste ich feststellen, dass die Sonnengarde sich in einem desolaten Zustand befindet. Die Ausstattung der Garde ist mehr als dürftig, die Kaserne ist so zugig wie die Hütten in Clannstead und die Gefängnismauern sind weniger verlässlich als Sir Rondrians Geständnis. Das Essen ist Mies und der Wein schal. Die Moral der Truppe ist auf ein Tiefpunkt gesunken. Obschon die Garde notorisch unterbesetzt ist musste ich meinen besten Mann unbefristeten Urlaub gewähren, weil ihn jede Nacht der Alptraum quält, er werde als rosa Hausschwein von einem Wolf gejagt. Und betrüblicher Weise hat die Sonnengarde beim Volk einen derart schlechten Ruf, dass ich keine neuen Gardisten rekrutieren kann. Glücklicherweise waren in den letzten Monaten keine gravierenden Vorkommnisse und ernsthafte Bedrohungen zu verzeichnen, so dass ich Sicherheit und Ordnung gewährleisten konnte. Allerdings kann sich die Lage jederzeit ändern und spätestens in sechs Monden, wenn die Wahl des neuen Königs ansteht, könnte die Situation außer Kontrolle geraten. Deshalb bitte ich Euch dringend um die Bereitstellung von Mitteln, die es mir ermöglichen folgende notwendige Anschaffungen zu tätigen:

Ausstattung der Sonnengarde

Für den Hauptmann:

  • 1 Silberschwert mit zwei Punkten Schaden
  • 1 Kurzschwert
  • 1 Rüstung
  • 1 magisches Artefakt „Handschuh Erkennen des Wesens der Dinge“
  • Die kommissarische Führung der hohen Ämter, wenn vorhanden
  • 200 Goldstücke

Waffen und Rüstung:

  • 4 Kurzschwerter
  • 6 Wurfsterne
  • 4 Arm-/Beinschienen
  • 2 Schilde

Zauber:

  • je 2 Bannkreis
  • Blendwerk
  • Erkennen des Wesens der Dinge
  • Feuerball
  • Gegenzauber (Zauberspiegel)
  • Hauch des Lebens
  • Heilung
  • Panzer des Dämons
  • Riesenkraft
  • Rost
  • Schutzpentagramm
  • Schweigen
  • Teleport
  • Verfluchen
  • Verwurzeln
  • Forschungsauftrag an die Magierakademie zur Entwicklung eines neuen Spruches, mit dem alle Sprüche eines Magiers konfisziert werden können.
  • Forschungsauftrag an die Magierakademie zur Entwicklung eines neuen Spruches, mit dem Gifte aufgespürt werden können.

Sonstige:

  • Kaserne mit Ein- und Ausbruchssicherem Gefängnis (Bannkreis/Schutzpentagramm in einem) mit zwei Schlüsseln
  • „Handschellen“
  • Silberkette für Werwesen
  • Silberkäfig für Werwesen
  • Pranger auf dem Burghof
  • erlesene Speisen und Weine zu besonderen Gelegenheiten

Des weiteren bitte ich Euch die folgenden Erlasse zu unterzeichnen:

Die Sonnengarde ist Verantwortlich für Sicherheit und Ordnung. Sie untersteht direkt dem König und ist die oberste Autorität in der Stadt und der Umgebung. Den Anweisungen der Sonnengarde ist Folge zu leisten.

Jede Person muss ein Ausweisdokument mit Angaben zur Person, zum Besitz von Waffen und Rüstung und zu den Vorstrafen stets mit sich führen und auf Verlangen der Sonnengarde vorzeigen. Personen ohne Ausweisdokument oder mit unvollständigen oder falschen Angaben in ihren Papieren werden mit Geldbuße oder Freiheitsentzug (5-10 Minuten) bestraft.

Der Handel mit Waffen und Rüstung steht unter der Aufsicht der Sonnengarde. Personen, die diese Gegenstände Erwerben möchten benötigen die Erlaubnis des Hauptmanns. Widerrechtlich erwobene Waffen und Rüstung werden konfisziert und Käufer und Verkäufer mit Geldbuße und Freiheitsentzug (10-15 Minuten) bestraft.

Der Besitz und das Führen von und der Handel mit Dolchen ist auf weiteres untersagt. Zuwiderhandlungen werden mit Geldbuße und Freiheitsentzug (> 20 Minuten) bestraft.

Der Besitz von und der Handel mit Gift ist verboten. Zuwiderhandlungen werden mit Geldbuße und Freiheitsentzug (> 20 Minuten) bestraft.

Einbruch, Diebstahl, Erpressung, Entführung, Vergewaltigung, Aufwiegelung und Anstiftung zu Straftaten werden mit Geldbuße und Freiheitsentzug (> 30 Minuten) bestraft.

Raubmord, Meuchelmord, Mord und Verrat werden mit dem Tode bestraft.

Hofnarr Terken an Truchsessin Thyra aus Güldenfels

Terkens erster Auftritt war als Erzähler der Chronik zu Spiel 10, obwohl er als Figur in jenem Spiel gar nicht anzutreffen war. Hier schreibt er sich für Spiel 11 warm. Dass die Sonnengarde nicht per Erlass unbesiegbar gemacht werden würde, war wohl allen klar, nun gibt es entsprechend Spott.

Güldenfels, den zwanzigsten Jänner

Ehrenwerte Truchsessin des Reiches und weise Ermagierin von Imrith Thyra!

Beste Herrin!

Euer Bote überreichte mir höchst unsanft Euer Schreiben, indem er mich um die Mittagsstunde, als der Schwan mir noch grollte, obwohl ich ihm am Abend vorher freudig Trankopfer dargebracht hatte, mit einem Fußtritt weckte. Nur gut, daß der Tropf nicht lesen kann, denn hier sitzt er neben mir und drängt mich, schneller zu schreiben, damit er nur schnell zurück kann zur königlichen Burg. Ja, ich rede von dir, du Schwachkopf. Armselige Nachgeburt eines räudigen Dämons! Hmm, er kann wirklich nicht lesen, sonst säße ich wohl nicht mehr hier. Ihr solltet etwas für den Bildungsstand Eurer Untertanen tun...

Das Lied auf Miranda Khan sollt Ihr bekommen. Aber was erzählt mir das zurückgebliebene Kleinhirn eines Nordmarkenbären? Ihr habt einen neuen Hauptmann der Sonnengarde ernannt? Herzlichen Glückwunsch! Ihr hatte ja schon befürchtet, daß sich niemand auf diesen verlotterten Posten melden würde. Domitis oder wie er heißt, ist ja auch ein fähiger Mann (und wen anderes als einen fähigen Mann hättet Ihr eingesetzt?).

Aber ich muß Euch doch meine Meinung sagen zu seinen ausgreifenden Plänen. Also, es geht mich ja nicht an, aber der debile Hüne neben mir hat mir seinen neuen Ausweis gezeigt und ICH werde so etwas nicht tragen! Ist die Sonnengarde so weit heruntergekommen, daß sie einer Bürgerin nicht mehr ansieht, ob sie Elf oder Zwerg ist? Ob Männlein oder Weiblein? Welche Farbe ihre Haare und ihre Augen haben? Wie viele Waffen sie bei sich trägt? Ich biete mich an, der gesamten Sonnengarde Eurer Ehrwürdigkeit in dieser Hinsicht Nachhilfe zu erteilen. Dies ist ein Schwert. Dies sind zwei. Eins, zwei, drei. Kinderleicht. Und im Unterscheiden von Farben bin ich sehr gut ausgebildet. Rot ist Wein und Blut, Weiß die Haut dieses lieblichen Dings, daß ich vor einigen Nächten traf, Blau sind die See und ihre Augen, schwarz der Westberg, Grün das Gras, und Braun, wenn ich mich hinhocke, um... Entschuldigung.

Stattet den Haufen ruhig mit Waffen aus, bis sie nicht mehr gehen können. Silberketten halte ich für eine ausgezeichnete Idee. Und wenn die Garde genügend Geld und Essen hätte, so könnten mich die Halunken ab und an einmal einladen auf einen Humpen und einen fetten Schinken. Aber Zauber? Glaubt mir, wenn das Wildschwein, daß Ihr mir hinterher sandtet, fähig wäre, zu zaubern, so bräuchtet Ihr keine Dämonen mehr, Euch das Leben schwer zu machen. Denkt an Eure Turmkrieger! Deren Einsatzkraft beruhte auf ihrem Vertrauen in ihre Schwerter. Wenn die Garde beginnt zu zaubern, wozu benötigen die Zauberer sie dann noch? Sie können doch selbst viel besser zaubern!

Einen Pranger dagegen können wir sehr gut gebrauchen und ich empfehle Euch, einen anfertigen zu lassen. Damit werden wir viel Spaß haben.

Ein ernstes Wort zum Schluß: Überlegt Euch gut, wieviel Macht Ihr in die Hände Eurer Garde legen wollt. Ein Spruch mit dem alle Sprüche einer Magierin konfisziert werden können? Wer garantiert Euch, daß dieser Spruch nicht gegen Euch eingesetzt wird? Allein die Idee eines solchen Spruches ist gefährlich. Und die kommissarische Führung der hohen Ämter? Warum sollte Domitis die haben wollen? Ihr wißt selbst, daß es Stimmen im Reich gibt, die anzweifeln, daß Ihr vorhabt, die Macht je wieder aus der Hand zu geben. Und es gibt genügend Personen, die sich an Eure Stelle wünschen.

Warum also solltet Ihr einen Erlaß unterschreiben, der lautet: „Die Sonnengarde ist Verantwortlich für Sicherheit und Ordnung. Sie untersteht direkt dem König und ist die oberste Autorität in der Stadt und der Umgebung. Den Anweisungen der Sonnengarde ist Folge zu leisten.“

(Dumpfbacke neben mir trägt solch ein Schreiben übrigens schon bei sich und fuchtelte mir damit unter der Nase herum.) Seit dem Tod des erhabenen Zentor Khan herrschte als Königin die erhabene Rosenkönigin Miranda Khan. Ihr selbst seid seit ihrem Tod die ehrwürdige Truchsessin des Reiches. Wem also unterstelltet Ihr mit solch einem Erlaß die Sonnengarde? Auf jeden Fall nicht Euch.

Schwört die Garde auf Euch persönlich ein! Nicht auf irgendeinen vergangenen oder zukünftigen König, auf Euch allein! Und behaltet Domitis im Auge. Der Mann ist hungrig. Das macht ihn zu einem guten Hauptmann. Aber zu einem, dem man seine Grenzen deutlich aufzeigen muß.

Ich bin schon wieder durstig. Das Lied auf Miranda sende ich Euch, so schnell ich dichten kann, aber nicht mehr heute. Erwartet mich pünktlich zur Königswahl mit neuen Liedern zurück,

Euer ergebenster und närrischter Diener

Terken

P.S.: Ich wäre Eurer Ehrwürdigkeit sehr verbunden, wenn Ihr bekannt machen lassen könntet, daß meine Wenigkeit zur Zeit der Königswahl neue Hofbarden ausbilden wird. Die Höfe des Reiches mangeln dieser feinen Einrichtung aufs Äußerste.

P.P.S.: Entschuldigt die Weinflecken auf dem Brief, aber dieser, dieser, Gardist, dieser, hat mich, meines Erachtens mit voller Absicht, angerempelt.

Hauptmann Domitis an Hofnarr Terken. Der Ton wird schärfer.

Verehrter Terken

Ich freue mich, dass Ihr Stellung nehmt zu meinen Plänen, die Sonnengarde wieder den Respekt zu verschaffen, den sie verdient. Zeigt mir doch Euer Eifer für Dinge von denen Ihr nichts versteht, dass selbst einem versoffenen Nichtsnutz von Hofnarr nicht entgangen ist, wie wichtig diese Frage für die Sicherheit des Reiches ist. Und da Ihr nichts zu Eurer Unwissenheit könnt und da ich Eure guten Absichten zu würdigen weiß, will ich Euch über einige Eurer zahlreichen Fehler aufklären.

Zunächst einmal lasst Euch gesagt sein, dass es im Interesse von Sicherheit und Ordnung ist, wenn der Hauptmann der Sonnengarde einen Überblick darüber hat, welches Gesindel sich am Hofe rumtreibt. Mit dem Ausweisdokument wird dies wesentlich vereinfacht und meine Männer können jederzeit die Identität eines Untertans und sein Potential feststellen. Das wird auch die Aufklärung von Verbrechen, von der Identifizierung eines Mordopfers, bis hin zur Hinrichtung seines Mörders, vereinfachen und beschleunigen.

Wichtiger als das, ist allerdings die Wirkung, die das Dokument auf die Gedanken und Gefühle der Menschen haben wird. Die die rechtschaffend sind, werden das Wappen des Königs nahe am Herzen tragen und wissen, dass die Güte und Weisheit des Königs und die Kraft seines langen Armes sie behüten und vor allen Gefahren beschützen wird. Die die nicht rechtschaffend sind, werden das bleierne Gewicht von Kerkerketten in ihren Taschen tragen und das Siegel der Sonnengarde wird sich in ihre Haut einbrennen; sie werden wissen, dass sie für ihre Verbrechen werden sühnen müssen und das wird sie in die offenen Arme meiner Männer treiben.

Aus diesem Grund wird jeder, der sich am Hofe aufhält, mit Ausnahme weniger erlauchter Persönlichkeiten, einen solchen Ausweis mit sich führen. Und Ihr, mein alberner Freund, gehört gewiss nicht zu diesen Erlauchten und werdet, darauf gebe ich Euch mein Wort, ein Ausweisdokument tragen. Und da Ihr rechtschaffend seid, werdet Ihr dankbar sein, dass das Schwert des Gesetzes über eurem Haupt wacht.

Nun will ich Euch über den Inhalt des Ausweises aufklären, auch wenn Euch der Inhalt eines Weinschlauchs sicher mehr interessiert. Die Angaben zum Aussehen und Geschlecht, sollen verhindern, dass jemand einen Ausweis entwendet und sich als der rechtmäßige Besitzer ausgibt. Denn einem bloßen Namen kann man vielleicht noch entnehmen, ob Mann oder Weib gemeint ist, aber sicher nicht, ob Statur und Haarfarbe stimmen. Natürlich wäre ein Porträt viel besser und wenn Ihr euch zu Verfügung stellen wollt, um ein Bild von jedem, der am Hofe erscheint, zu malen, würde mich das sehr freuen.

Die Angaben zur Bewaffnung stellen sicher, dass keiner illegal erworbene Waffen und Rüstung mit sich trägt. Und wenn Ihr meinen Mannen das Zählen beibringen wollt, dann kommt in die Kaserne und zählt ihnen vor, wie viele Zähne sie Euch ausschlagen.

Was das Zaubern angeht, so kann selbst Euer Verstand nicht so vernebelt sein, zu meinen, die Sonnengarde, die Elitegarde des Königs, verantwortlich für die Sicherheit des Throns, könne ohne Magie auskommen. Denn der Feind benutzt sehr wohl Magie und deshalb muss die Garde die Möglichkeit haben einen Magier zu entwaffnen, wie sie es mit einem Kämpfer tut. Und die Waffen eines Magiers sind seine Zaubersprüche und die können nur mit einem Zauberspruch konfisziert werden. Für die Unverfrorenheit mir zu unterstellen, ich könne solch einen Spruch gegen jemand rechtschaffenden, geschweige denn gegen die ehrenwerte Truchsessin des Reiches und weise Erzmagierin von Imrith Thyra, einzusetzen, würde ich am liebsten Euer Schandmaul mit Eurer Laute stopfen, hinten wieder rausziehen und Euch damit grün und blau prügeln.

Meine Loyalität gegenüber der ehrenwerten Truchsessin des Reiches und weise Erzmagierin von Imrith Thyra ist über jeden Zweifel erhaben und das weiß sie mit der gleichen Gewissheit, wie es gewiss ist, dass sie den Verleumdungen eines stinkenden, faulen und versoffenen Taugenichts von Hofschranze keine Beachtung schenkt.

Ich weiß durchaus, dass Ihr und Eures gleichen, die Ihr euch von der Muse geküsst fühlt, kein rechtes Verständnis für Ordnung und Autorität habt; Ihr dichtet von der Freiheit des Geistes und singt von der Kraft der Lust und Liebe. Aber lasst Euch gesagt sein, mein unbeschwerter Freund, es sind Männer, wie meine Gardisten und ich, die in der Nacht draußen stehen, Auge in Auge mit dem Feind, den Hauch des Todes im Nacken und darüber wachen, dass ihr Euer unbeschwertes Leben in Frieden und Freiheit führen könnt. Also geht und singt Eure Lieder, trinkt Euren Wein und vergnügt Euch mit Euren Weibern; und tut es in der Gewissheit, dass wir als die letzte Bastion, Standhaft, zwischen Euch und allem Übel und alles Böse stehen, das über Euch herfallen will. Wir erwarten keinen Ruhm und keine Ehre und noch nicht einmal Euren Dank, denn wir tun nur unsere Pflicht für König und Reich. Was ich von Euch verlange, ist, dass Ihr meine Arbeit respektiert, wie ich Eure Arbeit respektiere. Denn wir tun beide Wichtiges und ein jeder von uns ist Experte seines Fachs und bedarf der Einmischung des anderen nicht.

Versteht mich nicht falsch, ich hege kein Gräuel gegen Euch, im Gegenteil, ich mag Euch. Denn durch Euch und Eures gleichen, weiß ich warum ich auf dem Weltenei bin und welche Aufgabe mir der heilige Schwan zugedacht hat. Ich blicke auf Euch mit den wohlwollenden Augen eines schwer arbeitenden Vaters, der nach einem Tag voller Mühen und Plagen auf seine spielenden Kinder blickt und weiß, dass sein Leben richtig ist. Und genau wie ein Vater bin ich geduldig und wohlwollend mit widerspenstigen Geistern aber auch streng und unerbittlich mit unbelehrbaren Quärulanten.

Ich werde Euch im Auge behalten.

Hauptmann der Sonnengarde Domitis von Perdruin

Beltur Ken Sokis, Exberater Miranda Khans, an Truchsessin Thyra

Der Konflikt unter Thyras Beratern weitet sich aus. Und noch kein Wort von ihr selbst! Man beachte, dass Beltur weiß, wie man Thyra korrekt anredet.

Weise Erzmagierin von Imrith und ehrwürdige Truchsessin des Reiches,

ich danke Euch, daß Ihr mir die Gelegenheit gegeben habt zu der Korrespondenz zwischen Euch, Hauptmann Domitis und Terken Stellung zu nehmen.

Mir ist bewußt, daß ich nach dem frevelhaften Mord an der Königin kein offizielles Amt mehr bekleide, dennoch möchte ich Euch meinen Rat kund tun. Natürlich obliegt es Eurer Weisheit wie Ihr mit ihm um zu gehen gedenkt.

Wie ich historischen Schriften entnommen habe, war die Sonnengarde einst eine angesehene Kriegerkaste die über das Wohl des Reiches wachte und allein dem König unterstellt war.

Sie galt als hart aber gerecht. Die Besoldung ihrer Gardisten war nie besonders hoch und so traten nur die Manner und Frauen in ihre Reihen, denen es ein Herzenswunsch war dem Reich zu dienen. Natürlich barg die niedrige Besoldung die Gefahr der Bestechung dies wurde aber durch den Einsatz drakonischer Strafen (unehrenhafte Entlassung, 30 Peitschenhiebe und zeitweise gar die Brandmarkung der Person und seiner/ihrer Familie) unter Kontrolle gebracht.

Es ist Euch mit Sicherheit nicht entgangen, daß das Ansehen drastisch gesunken ist seitdem Waderias und nach ihm Leonhard Hauptmann der Wache wurde. Seiner Ansicht nach lag das nur an der geringen Motivation der Krieger, die er durch die Erhöhung des Soldes wieder anheben wollte. Königin Miranda Khan’s Meinung dazu war, daß die Motivation durch Geld unzureichend und falsch ist, wenn es darum geht die Interessen des Reiches zu schützen und ich stimme ihr dabei zu. Stattdessen sollte Leonhard andere Möglichkeiten finden. Letztendlich kostete sein Versagen darin das Leben der Königin und erlaubte die Flucht des Täters.

Hauptmann Domitis von Perdruin ist ein engagierter Mann der hoffentlich in der Lage sein wird, Recht und Ordnung wieder her zu stellen. Die besten Vorsätze dazu hat er allemal. Seine Anliegen zusammenfassend möchte ich sagen, daß Ihr Hauptmann Domitis eine sehr große Verantwortung übergeben würdet wenn Ihr seinen Anliegen zustimmt. Ich kann seine Anliegen verstehen, da sie darauf abzielen weitere Verbrechen in diesen Mauern zu verhindern oder zumindest schnell aufklären zu können was ich nur gutheissen kann.

Dennoch muß ich unserem albernen Freund Terken zustimmen, daß die Verleihung von Zauberkräften an die Gardisten sich zu einem ernsthaften Problem entwickeln könnte. Kriegerische und weltliche Kräfte sollten so weit wie möglich getrennt bleiben. Ich schlage deshalb die Aufnahme von speziell ausgebildeten und dem Reich ergebenen Magiern in die Sonnengarde vor. Diese können die Arbeit der Sonnengarde unterstützen. Bedingung sollte dabei sein, daß sie keinem anderen magischen Bündnis angehören um Beinflußungen auszuschließen.

Ich bin mir nicht ganz sicher, was Domitis mit den anderen Erlassen erreichen möchte. Möchte er vielleicht gar, daß die Funktion des Richters mit der des Henkers („...Mord und Verrat werden mit dem Tode bestraft“) verbunden werden soll? Soll seiner Ansicht nach in Zukunft jeder einzelne Gardist selbst entscheiden, wer ein Verbrechen begangen hat und ihn dann sofort selbst bestrafen. Was ist ein „Verrat“ am Königreich der mit dem Tode bestraft wird? Welche Beweise müssen vorliegen, damit jemand verurteilt werden kann? Reicht die Aussage eines einzigen Zeugen?

Diese Erlasse zu unterzeichnen könnte zu einer Diktatur der Sonnengarde führen! Und selbst wenn wir davon ausgehen, daß Domitis dem Reich treu ergeben ist, können wir das von allen Gardisten sagen oder selbiges sicher stellen? Von den politischen Problemen ganz zu schweigen. Welcher Adlige hat, zu seinem eigenen Schutz, keinen Dolch bei sich? Was geschieht wenn jemandem ohne sein Wissen ein Dolch zugesteckt wird?

Welche Autorität hat die Sonnengarde über Adlige oder hohe Geistliche? Ich würde es befürworten, wenn die Gardisten ein gewisses Maß an Autorität gegenüber Adligen hätten, aber nicht in dem Umfang wie es Domitis vorschlägt. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich jeder Adlige auf Befehl von der Sonnengarde auf Verdacht hin z.B. nach Gift durchsuchen läßt. Stellt Euch nur die Reaktion eines Leard von Clannsteads vor...

Hier sollte ein Mittelweg gefunden werden, der die Stellung der Person ehrt aber auch der Sonnengarde Möglichkeiten läßt ihrer Aufgabe nachzukommen.

Wie gesagt, befürworte ich alles was dem Schutz der Personen in dieser Feste zu Gute kommt. Aber jeder Erlass muß auch gewissenhaft geprüft werden. Ein freies Volk (wie das des Sonnenreiches) zeichnet sich dadurch aus, daß es sich dem Gesetz unterwirft, gleichfalls sich aber auch freiwillig an unausgesprochene Gesetze hält. Je größer die Anzahl der offiziellen Gesetze wird, desto größer wird der Unwillen der Bewohner überhaupt irgend einem Gesetz zu folgen.

Erlaubt mir ein offenes Wort, Terken erwähnte die potentielle Gefahr die eine Kombination Krieger/Zauberer darstellt. Ich muß dazu sagen, daß ich persönlich jegliche Mischung der weltlichen mit der magischen bzw. religiösen Macht ablehne. Das beinhaltet auch Eure Position, in der Ihr das Amt des magischen Oberhauptes mit der obersten weltlichen Macht (wenn auch nur kommisarisch) verbindet. Eine solche Person läuft sehr schnell Gefahr die Interessen des einen Amtes mit der Macht des anderen Amtes stützen zu wollen.

Da ich aus unseren persönlichen Gesprächen entnehme, daß Ihr Euch dieser Gefahr durch aus bewußt seid, zweifle ich aber nicht daran das Ihr versuchen werdet diese zwei Ämter getrennt auszuüben.

Ich habe mitbekommen, daß Jandar, der oberste Magier von Laurengard, Ambitionen hat zu Eurem offiziellen Berater berufen zu werden. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Außenwirkung einer solchen Ernennung hinweisen. Wie Ihr selbst nur zu gut wißt, werden Zauberkundige von vielen Bewohnern dieses Reiches mißtrauisch beäugt. Diese haben die Ernennung der Erzmagierin zur Truchsessin des Reiches mit angesehen. Wie werden Sie aber reagieren, wenn auch Ihr Berater ein hoher Zauberkundiger ist? Werden sie nicht vermuten, daß all Eure Entscheidungen nur von dem Verlangen geprägt sind die Interessen der Zauberkundigen zu stärken?

Ich glaube, daß in der jetzigen Situation in der das Reich sehr destabilisiertist, eine solche Wahrnehmung katastrophale Folgen haben kann. Es wäre nicht das erste Mal (auch nicht in der Geschichte dieser Welt) das ein charismatischer Anführer eine solche Situation für seine Zwecke mißbraucht und einen Bürgerkrieg auslöst.

Ich hoffe Ihr wertet meine Bedenken so wie sie gemeint sind, nämlich geboren aus dem Wunsch das dieses Reich wieder im friedlichen Miteinander mit den angrenzenden Reichen gedeihen kann, ohne die Bedrohung durch dämonische Mächte.

Ich verbleibe mit besten Grüßen und dem Wunsch dem Reich weiterhin als Berater zur Verfügung stehen zu dürfen,

Beltur Ken Sokis<

Nachwort: Wie ich Euch bereits mitteilte, bin ich weiterhin dabei die Ereignisse die sich um den Mord der Königin drehen zu untersuchen. Ich bin zuversichtlich, daß ich in Bälde die Beweise liefern kann, das Hauptmann Leonhard weit mehr vorzuwerfen ist, als Versagen. Ich spreche vom Verrat am Königreich. Und wenn ich mich nicht ganz täusche war er nicht der Einzige...

Hauptmann Domitis an Beltur

Domitis schießt zurück.

Verehrter Beltur Ken Sokis

Ich danke Euch für Eure willkommene Teilnahme an dem plötzlich entfachten Disput um die Zukunft der Sonnengarde. Wie ich Euch kenne und Euren Äußerungen entnehmen kann, habt Ihr euch ausgiebig und aufmerksam mit diesem Thema befasst und auch meine Forderungen diesbezüglich akribisch studiert. Ich kann durchaus verstehen, dass Euch meine Pläne als etwas vorschnell und überhastet erscheinen. Dennoch will ich meine Pläne so schnell wie möglich in die Realität umsetzen; gewöhnt man sich doch sehr bald an die Privilegien seines neuen Amtes und beginnt sich mit dem Status Quo zu arrangieren. Man wird langsam und träge und irgendwann beginnt man sich vor dem Wort Veränderung zu fürchten. Bevor das mit mir passiert möchte ich meinen ganzen Enthusiasmus verwenden, um Bedenkenträgern, die diese Entwicklung bereits hinter sich haben, entgegen treten zu können.

Nun zu Euren Einwenden: Ich gebe Euch Recht, dass ein Versuch, die Motivation der Garde mit höherem Sold zu steigern, nicht fruchten würde. Der Sold betrifft ja ohnehin die Freizeit und nicht die Dienstzeit, und um letzteres geht es mir. Es geht darum, dass meine Gardisten sich keinen üblen Magen an schlechtem Essen zuziehen oder sich in der vermoderten Kaserne mit Ratten rumplagen müssen. Und es geht darum, dass der Feind nicht bessere Waffen, Rüstungen und, ja auch und gerade, überlegenere Zaubersprüche hat, als meine Gardisten. Sie sollen wissen, dass sie ein wichtiger Bestandteil des Reiches sind, dass ihre Arbeit gewürdigt wird und dass nicht an Gold gespart wird, damit sie Ihren Dienst erfolgreich bestreiten können. Und es wäre wahrlich eine Narrheit an dieser Stelle sparen zu wollen, wo wir die Konsequenzen im letzten Jahr schmerzlich vorgeführt bekommen haben. Wenn gespart werden muss, dann kann man ja den Hofnarren in die Wüste schicken...

Was ich nicht ganz verstehe, verehrter Beltur, ist, was Ihr mit Eure Ausführungen über die „Verleihung von Zauberkräften“ meint. Die Begabung zu den magischen Künsten ist ein Geschenk des heiligen Schwans und kein anderer, noch nicht einmal die weise Erzmagierin von Imrith, vor deren zahlreichen Fähigkeiten ich großen Respekt habe, ist dazu im Stande. Wenn Ihr aber meint, dass niemand, dem diese Gabe in die Wiege gelegt wurde, in den Dienst der Garde aufgenommen werden sollte, so muss ich doch an Eurem sonst so flinken Verstand zweifeln. Gleichzeitig schlagt Ihr aber vor, Magier in den Dienst der Garde zu stellen, was ich ausdrücklich begrüße und auch nie anders gefordert habe. Wichtig ist, dass diese Magier Zugang zu allen hilfreichen Zaubersprüchen und genügend magische Energie für deren Einsatz haben, aber auch mit der Klinge umgehen können. Und was Euch an dieser alltäglichen Verquickung nicht behagt, bleibt das größte Rätsel Eures Briefes.

Was die Erlasse betrifft, so richten sie sich natürlich an das Volk und dienen der Verdeutlichung der Rechtslage. Bewusst sind sie einfach und grob gehalten, damit das einfache Volk es auch verstehen kann. Im wesentlichen sind es bereits bestehende Gesetze, die ich vorübergehend um die Ausweispflicht, die Kontrolle des Waffenhandels und dem Verbot von Dolchen ergänzen möchte. Dies auch nur für die Zeit der Königswahl, in der ich, vorsichtig ausgedrückt, mit einigen Problemen rechne. Dass Mord und Verrat mit dem Tod bestraft werden ist altes Gesetz und es wird keineswegs gesagt, dass ich oder meine Gardisten darüber entscheiden. Aber es ist auch klar, dass nicht für jeden Eierdieb eine Untersuchungskommission und ein geschworenen Gericht einberufen werden, um dann festzustellen, dass es das Huhn selbst war, was sich mit einem Sprung gegen die Sitzstange bewusstlos gemacht hat...

Dass Ihr ein vorsichtiger Mensch seid, erkennt man daran, mit welcher Bedacht Ihr stets Eure Worte wählt und Vorsicht ist eine Tugend, gerade in schwierigen Zeiten. Aber eine Diktatur der Sonnengarde zu befürchten, weil man ihr gutes Essen und ein paar scharfe Schwerter zugesteht, ist doch zuviel des guten. Ich danke Euch, dass Ihr meine Loyalität nicht in Frage stellt und versichere Euch, dass ich meinen Haufen im Griff habe. Einen Potentiellen Diktator werdet Ihr eher bei der Kamaradschaft der Brieftaubenzüchter finden, als in der Sonnengarde.

Dass dem hohen und niederem Adel ein besonderer Status gebührt, ist obligat. Oder glaubt Ihr ernsthaft, ich wolle die Grundfesten der Schöpfung in Frage stellen? Der Adel ist ausdrücklich von allen Tätigkeiten der Sonnengarde nicht betroffen, ausgenommen die Ausführung von direkten Befehlen des Königs oder seines Vertreters. Gleiches gilt für die Geistlichkeit, die dem geistlichen Recht unterworfen ist.

Was Eure Thesen über den Zusammenhang zwischen der Anzahl von Gesetzen und dem Willen des Volkes diese Gesetze zu befolgen angeht, so empfehle ich Euch zur Abendstunde in den Kräutergarten zu gehen. Dort werdet Ihr auf ältere Höflinge treffen, die bei Käse und Wein, bedächtig und genussvoll, über Schwan und die Welt philosophieren und immer ein offenes Ohr für verdrehte Ideen haben. Denn zu glauben, mit weniger Gesetzen, würde mehr Recht und Ordnung herrschen, zeugt von einer Naivität, die nur sehr jungen und sehr alten Menschen zu eigen ist. Und mit kleinen Kindern werdet Ihr euch wohl nicht abgeben wollen.

Eure weiteren Ausführungen möchte ich nicht weiter kommentieren nur soviel: Euer Orakel von dem Erscheinen eines charismatischen Anführers, könnte man durchaus als Drohung auffassen, käme es nicht aus Eurem Munde.

Euer ergebener Diener,

Hauptmann der Sonnengarde Domitis von Perdruin

Nachwort: Solltet Ihr Hilfe bei Euren Ermittelungen benötigen, stehe ich Euch jederzeit zur Verfügung.

Thyra an Terken

Thyra meldet sich endlich selbst zu Wort und beruhigt erst einmal ihren Hofnarren. Die beiden mögen sich offenbar. Wenn das mal kein böses Blut gibt.

Verehrter Terken,

ich glaube nicht, daß es einen ernsthaften Grund zur Sorge gibt, was Domitis magische Pläne anbelangt. Soll er doch versuchen Magier für die Sonnengarde anzuwerben. Was kann er einem Magier schon besonderes bieten? Die Sonnengarde wird über keine hohe Magie verfügen, die vielleicht einen Magier zur Sonnengarde ziehen könnte. Er wünscht sich Magiebegabte, die keiner anderen Gruppierung angehören, damit es keinen Interessenskonflikt gibt.

Ich frage Euch, wer wird schon seine Gruppenzugehörigkeit und seine Befähigungen der hohen Magie aufgeben, nur um in der Sonnengarde ein Schwert schwingen zu dürfen? Das wird kein Angehöriger der roten, silbernen, grünen oder weißen Magie tun. Und die Anhänger von Malville in der Sonnengarde? - Eine amüsante Vorstelleng meint Ihr nicht?

Falls er es dennoch schaffen sollte einen Magier zu überzeugen, so muß ich feststellen, daß dieser nur über ein paar Sprüche der niederen Magie verfügen wird.

Eines muß ich Domitis ja lassen, ein Zauber, mit dem man die gesamten Sprüche eines anderen Magiers konfiszieren kann, so eine Art „Amnesie-Spruch“, ist eine faszinierende Idee. Allerdings würde ein solcher Spruch, von den Schülern von Imrith erforscht, niemals außerhalb der Türme weitergegeben. Somit also auch nicht der Sonnengarde zur Verfügung stehen.

Was diese närrischen Ausweise anbelangt, muß ich feststellen, daß es für gewisse diebische Gruppierungen ein leichtes sein wird diese zu fälschen. Und mal im Ernst, wer würde bei so etwas schon ehrliche Antworten zum Besten geben? Nein – ich glaube nicht, daß diese Zettel zur Sicherheit am Hofe beitragen.

Und was meine persönliche Sicherheit anbelangt, so ziehe ich ernsthaft in Erwägung, die Turmkrieger von Imrith zu meinem Schutz an den königlichen Hof zu rufen. Der neue Hauptmann der Sonnengarde, Domitis von Perdruin scheint mir etwas zu sehr auf den künftigen König fixiert zu sein.

Sagt, habe ich Euch dieses interessante Schreiben von Beltur Ken Sokis gezeigt? Er behauptet doch glatt, daß die Krieger des Reiches mir mißtrauen würden, da ich nun einmal Magierin bin! Er scheint wirklich nicht mitbekommen zu haben, daß gerade die Krieger mich mehrfach schon fast auf Knien flehend, darum gebeten haben das Amt der Truchsessin zu übernehmen, weil ich die Einzige war, der sie die Geschicke des Reiches anvertrauen mochten (Beltur übrigens eingeschlossen). Ein Erzmagier von Imrith herrscht immer über Magier und Krieger, ob er dies bei seinen Überlegungen wohl vergessen hat?

Da er sich ja nicht einmal den Namen des Jandar von Laurengard merken konnte, muß ich seine Meinung über ihn in meinem Beraterstab wohl auch nicht ernstnehmen.

So viel zur Politik des Landes mein stiller Berater.

Ich freue mich bereits auf Eure neuen Darbietungen und die Künste der Jung-Barden, die Ihr heranbilden wollt.

Thyra

Truchsessin des Reiches, Erzmagierin von Imrith

Jandar, oberster Magier von Laurengard an Beltur

Noch ein Berater, weiterer Zwist.

Bester Beltur Ken Sokis,

mit Freuden, oder sollte ich besser sagen: mit einem hohen Maß an Amüsement, habe ich den von euch verfassten Brief an die hochverehrte Erzmagierin von Imrith und Truchsessin Thyra zur Kenntnis genommen. Ich muss gestehen, dass Eure vermessene Wortwahl und die Arroganz mit der Ihr unverhohlen immer noch versucht Einfluss zu nehmen, Euch einen gewissen Schneid nicht absprechen läßt.

Trotzdem muss mir an dieser Stelle die Frage gestattet sein, ob es Ignoranz oder Größenwahnsinn war, der Euch zu diesen Worten hinreißen ließ. Ihr, ein ehemaliger Berater durch einer toten Königen Gnaden, unterstellt schließlich der Truchsessin (und dass nicht einmal sehr geschickt), dass sie die ihr kommissarisch zugesprochene Macht für Ihre eigenen Zwecke missbrauchen könnte. Und dieser Missbrauch würde Eurer Meinung nach, schon in der Tatsache begründet liegen, dass sie einen Magier zu ihrem Berater erwählen könnte.

Ihr selbst lehnt jede Mischung von weltlicher, religiöser und magischer Macht ab, soweit habt Ihr Euch in eurem Schreiben klar ausgedrückt. Insofern stellt ihr nicht nur die Legitimation der Erzmagierin als Truchsessin in Frage, sondern zusätzlich auch ihre Stellung als Vertreterin von Imrith. Ich finde es zeugt geradezu von einer gewissen Komik, wenn Ihr auf der einen Seite solche Hiebe austeilt und auf der anderen Seite nicht nur vor den möglichen „katastrophalen“ Auswirkungen einer Ernennung meiner Person zum Berater der Truchsessin warnt, sondern Euch im gleichen Atemzug anzubiedern versucht. Beißt Ihr nicht gerade die Hand, von der Ihr wollt, dass sie Euch füttert?

Mein lieber Beltur, Ihr habt die Untersuchungskommission mit einer Inkompetenz geleitet, die schon als Verschleierung bezeichnet werden kann, darüber hinaus habt Ihr euer Versagen dem Sündenbock Leonhard aufgebürdet und seit dann, als „generöse Geste“ von eurem Posten zurückgetreten. Was ihr aber vergessen habt: ohne Königin, kein Berater. Ihr hattet zu dieser Zeit gar kein Amt mehr. Vielleicht solltet ihr endlich verstehen, dass eure Zeit der Manipulation abgelaufen ist. Begreift endlich, dass all eure durchtriebenen Worte, all eure hinterhältigen Manöver euch nicht mehr den Einfluss zurückgeben können, den ihr anscheinend immer noch wollt, selbst wenn Ihr mit einem Bürgerkrieg droht.

Was jemand wie ihr nie verstehen wird ist folgendes:

Ich bin ein Magier. Mein Interesse besteht in der Magie. Sofern es die Truchsessin, meine Erzmagierin, wünscht, stehe ich ihr mit Rat und Tat zur Seite. Ihretwillen und des Reicheswillen, weiter nichts.

Ihr Beltur seit ein Nichts. Ihr würdet jedem zur Seite stehe, Euretwillens. Zum Glück gibt es immer mehr Menschen, die euren egoistischen Machenschaften durchschauen. Ihr solltet besser in der Versenkung verschwinden, aus der ihr aufgetaucht seit und hoffen, dass Ihr nicht für euer Versagen zur Verantwortung gezogen werdet.

Einstweilen verbleibe ich mit der Gewissheit, dass Ihr euch auch weiterhin winden werdet wie ein Aal, und freue mich schon auf eure Antwort.

Mit den besten Grüssen aus Laurengard

Jandar

Beltur an Jandar

Beltur versucht, die Wogen zu glätten, gießt aber weiter Öl ins Feuer.

Verehrter Jandar,

ich würde sagen daß Euer Temperament mit Euch durch geht. (Ich vermute, daß dies eine Grundeigenschaft sein muß, wenn man zum obersten Magier der roten Magie erkoren werden möchte).

Aus der Vehemenz Eures Schreibens meine ich zu ersehen, daß Euch durch die langen Jahre der magischen Studien ein Teil Eures Weitblicks verloren gegangen zu sein scheint, so ihr in den je hattet. (Ich kenne Euch und Euren Werdegang nicht gut genug um das zu beurteilen.) Ihr seht in meinem Schreiben einen Angriff auf die Truchsessin und auf Euch. Wenn Ihr Euch aber die Zeit nehmen würdet über meine Worte nach zu denken, würdet Ihr mir vielleicht in einigen Punkten zustimmen, wenn Ihr die Größe hättet über Euren eigenen Schatten zu springen oder aus eurem Magierturm hinauszublicken.

Ihr habt gefragt, ob es Ignoranz oder Größenwahn sei, der mich dazu gebracht hat ein solches Schreiben aufzusetzen. Ich muß Euch enttäuschen, weder das eine noch das andere. Vielmehr war es die Sorge um das Königreich, auch wenn ihr mir das wahrscheinlich nicht zugestehen wollt.

Während der Zeit die ich hier verweilte, hatte ich nur wenig Gelegenheit mich im Detail mit den Gepflogenheiten der Magier, gerade derer Eurer Ausrichtung, auseinander zu setzen, insofern kann ich nicht beurteilen wie Eure Berater Euch zur Seite stehen.

Ich sehe die Aufgabe des Beraters nicht darin, nur das zu sagen was seinem Dienstherren gefällig ist, sondern vielmehr darin Aspekte aufzuzeigen die vergessen wurden in Betracht zu ziehen. Ich unterstelle damit der Truchsessin genauso wenig etwas wie ich es der Königin unterstellt hätte. Beide, sowohl Königin Miranda als auch Erzmagierin Thyra sind bzw. waren durchaus in der Lage dieses Reich zu führen. Ob sie beide in der Lage sind/waren dieses Reich so zu führen das alle Interessengruppen berücksichtigt werden, wage ich zu bezweifeln, so nicht fähige Berater an ihrer Seite stehen. Und, bevor ihr mir wieder Größenwahn unterstellt, ich rede hier von mehreren Personen und nicht nur von mir, die wie ich ihr Bestes gegeben haben die Königin zu unterstützen. Mögen Personen über mich richten, die die Ereignisse der Vorjahre tatsächlich erlebt haben und die die Wahrheit kennen.

Zum Kreise dieser beratenden Personen zähle ich sogar Terken, der trotz seiner Aufdringlichkeit und seiner an Hysterie grenzenden Heiterkeit, immer mal wieder durch seine Possen die Königin zum Nachdenken anregte, obwohl ihre Meinung bereits fest stand. (Obwohl sie das natürlich nie zugegeben hätte)

Um es für Euch noch einmal deutlich zu machen (möget ihr daraus lernen so es Euch gefällt) es geht dabei nicht darum, daß ein Berater der Meinung ist, das er weiser oder klüger ist.

Aber es gibt nun einmal Entscheidungen, die aus einer Emotion heraus zu schnell getroffen werden und niemand ist davor gefeit. Denn nur ein Gott ist allwissend. Ein oder mehrere Berater können dabei helfen (wenn es denn gewünscht ist) eine ausgewogenere Entscheidung herbei zu führen.

Aber habt keine Angst werter Jandar, wenn ihr so sehr darauf erpicht seid eure Machtstellung weiter auszubauen (denn nur so kann ich mir die Form eures Schreibens erklären), so werde ich euch nicht im Wege stehen. Denn wenn das Königreich zur Zeit eines nicht gebrauchen kann, dann sind es künstlich aufgebauschte Machtkämpfe am Hofe. Ich befürchte, es werden auch so schon genügend Probleme auf dieses Land zukommen.

Ich danke Euch, denn Ihr habt mir mit Eurem Schreiben sehr deutlich vor Augen geführt wie groß die Probleme werden könnten, wenn nicht mit Bedacht vorgegangen wird.

Gehabt Euch wohl und versucht euch mit dem Gedanken anzufreunden das nicht alle Bewohner dieses Königreiches Magier sind. Möget ihr schnell in der Lage sein Euch an das Leben bei Hofe zu gewöhnen. Ich beneide Euch nicht.

Beltur Ken Sokis

Domitis an Thyra II

Haben wir es doch gewußt: Jetzt ist Domitis beleidigt. Er wendet das Blatt aber geschickt zu seinen Gunsten.

Ehrenwerte Truchsessin des Reiches und weise Ermagierin von Imrith Thyra

Betrübt muss ich feststellen, dass Ihr es vorzieht mir keine direkte Antwort auf meine Vorschläge, bezüglich der Verbesserung des Zustandes der Sonnengarde, zu geben, sondern mich durch den Brief an Terken über Eure Gedanken in Kenntnis zu setzen. Nichts desto Trotz fühle ich mich ermuntert, Stellung zu diesem Brief zu nehmen. Sollte ich damit gegen Euren Wunsch handeln, dann vernichtet dieses Papier ohne weitere Kenntnisnahme und habt die Güte meine mangelnde Intuition zu verzeihen. Solltet Ihr jedoch, und das hoffe ich inständig, etwas kostbare Zeit erübrigen können, bitte ich Euch untertänigst meinen Worten Gehör zu schenken.

In Eurem Brief an Terken erwähnt Ihr meine Pläne, Magiebegabte in die Sonnengarde zu holen und bemerkt scharfsinnig, dass ich diesen nichts besonderes bieten könne. Und fast erwecken Eure Worte bei mir den Eindruck, dieser Umstand verschaffe Euch eine gewisse Befriedigung. Wenn dies der Wahrheit entspricht, so habt Ihr sicher triftige Gründe für Eure Haltung und es steht mir nicht zu Euch zu kritisieren. Eure Weisheit übersteigt meine mickrige Erfahrung bei weitem, zumal in dem Metier der hohen Künste. Ich möchte Euch dennoch bitten, zu bedenken, dass es ein enormer Gewinn für die Sicherheit von Hof und Reich wäre, wenn die Sonnerngarde auch Magier in ihren Reihen hätte. Euch muss ich am allerwenigsten sagen, dass die Magie ein wesentlicher Bestandteil unserer Welt ist, mit ihren guten und schlechten Seiten. Und da die Sonnengarde mit allen Bedrohungen gegen König und Hofstaat, seien sie weltlicher oder magischer Art, fertig werden muss, sollten ihr auch die nötigen Mittel dazu in die Hand gegeben werden. Wie Ihr richtigerweise bemerkt, ist die Sonnengarde (in ihrem jetzigen Zustand) nicht besonders attraktiv für Magiebegabte, was ich aus eigener Kraft kaum ändern kann. Euch aber wäre es möglich, Anreize für Magier zu schaffen, die bereit sind in die Sonnengarde einzutreten. Welcher Art diese Anreize sein können und wie sie konkret gestaltet werden sollten, wird zu anderer Gelegenheit zu diskutieren sein. Und gewiss seid Ihr in diesen Belangen weit bewanderter als ich, was im übrigen auch für die von mir gewünschten magischen Forschungsaufträge gilt. Ihr wisst selbstverständlich besser, welches magische Potential wem in die Hände gegeben werden sollte und welches nicht.

Aber wenn Ihr der Ansicht seid die Sonnengarde sollte überhaupt keine magische Kraft erhalten, so muss ich davon ausgehen, dass Ihr nicht an einer schlagkräftigen Sonnengarde interessiert seid. Wenn dem so wäre, wäre ich der falsche Mann für den Posten des Hauptmanns der Sonnengarde. Denn mir ist es ein großes Anliegen der Sonnengarde wieder Geltung zu verschaffen. Und bevor die Sonnengarde so ein jämmerliches Dasein fristet wie in den letzten Jahren, unfähig und von niemandem ernst genommen (wenn ich Euch nur an die unselige Befreiung von Sir Rondrian erinnern darf), sollte sie lieber aufgelöst und aus der Historie getilgt werden.

Aber Ihr wisst selbst allzu genau, dass die Sonnengarde gebraucht wird, da den Menschen nicht zu trauen ist, wie Ihr in Eurer Sorge um die Fälschungssicherheit und Glaubwürdigkeit der vorgeschlagenen Ausweisdokumente äußert. Was den ersten Punkt angeht, so werde ich verstärkt meine Aufmerksamkeit auf die Erschwerung des Unterfangens für die erwähnten diebischen Gruppen richten, zum Beispiel mit speziellem Papier und ein Siegel. Was die wahrheitsgemäßen Angebe von Merkmalen im Ausweis angeht, so werdet Ihr feststellen, dass alle Punkte, bis auf Name, Beruf und Gruppenzugehörigkeit, dem betreffenden entweder angesehen oder mittels „Erkennen des Wesens der Dinge“ eruiert werden können, letzteres selbstverständlich nur bei entsprechender Befähigung. Und ich versichere Euch, dass dieser Ausweis die Arbeit der Sonnengarde erleichtern wird.

Weiterhin erwähnt Ihr Sorge um Eure Sicherheit und dies begründet Ihr mit einer mangelnden Loyalität von mir Euch gegenüber. Ich bin zutiefst beschämt, wenn ich Euch Anlass gegeben habe, an meiner Treue zu zweifeln. Seid versichert, ehrenwerte Truchsessin, meine absolute Loyalität gilt dem rechtmäßigen Throninhaber und das seid, bis zur Bestimmung eines Königs oder Königin, Ihr. Und selbstverständlich zolle ich darüber hinaus allen Edlen des Reiches Respekt, was mich in zweifacher Hinsicht zu Eurem Diener macht. Ich verneige mich einmal vor Euch der ehrenwerten Truchsessin des Reiches und einmal vor Euch der weisen Erzmagierin von Imrith. Und solltet Ihr weiterhin Zweifel an meiner Aufrichtigkeit hegen, so bitte ich Euch unterwürfigst, übergebt mich gleich an den Henker, denn, wenn Ihr mir gestattet offen zu sein, ein schneller Tod wäre mir allemal lieber als Eure Verachtung oder Nichtachtung.

Auf Eure Nachsicht und Euer Großmut hoffend, Euer ergebenster Diener,

Domitis von Perdruin

Terken an Thyra II aus Güldenfels

Hier findet sich die erste Andeutung, daß Ian ein dunkles Geheimnis hat – wir hatten inzwischen Spiel 11 so richtig in Planung, in dem ja alle Anwärter auf den Thron ein dunkles Geheimnis verbargen. Dies ist außerdem der erste in einer Reihe von Briefen von Terken an Thyra, welche die einzelnen Baronien des Reiches vorstellen sollten.

Güldenfels, zwei Wochen vor der Tagundnachtgleiche

Weise Erzmagierin von Imrith, und ehrwürdige Truchsessin des Reiches Thyra!

Nach so viel Anrede sind meine Finger schon ganz steif und tintenbekleckst. Aber wenn ich jetzt schon der „verehrte“ Terken bin, dann muß ich mich wohl ins Zeug legen. Unter Eurer weisen Herrschaft bringe ich es noch zum Adelstitel.

Da habt Ihr ja einen schönen Haufen an Getreuen um Euch gesammelt. Beltur bekommt auf seine alten Tage Angst vor der Magie und ist auch noch dumm genug, das ausgerechnet Euch, der Erzmagierin zu erzählen; Domitis möchte am liebsten alle Bewohner des Reiches einsperren, um derart maximale Sicherheit zu gewährleisten; den Wortlaut von Jandars streng geheimem Wutanfall erzählen einem die Gassenjungen für nur ein Kupferstück, und überhaupt scheint jeder im Reich ausgiebigst über den neuesten Klatsch bei Hofe unterrichtet zu sein, insbesondere über die unerfreuliche Tatsache, daß Ihr Euch von einem Narren beraten laßt. Wer hätte gedacht, daß sich das Reich einmal in solch einem Narrenkäfig verwandeln würde?

Und nur der Hofnarr selbst läuft frei darin herum und läßt sich von Graf Ian mit erlesenen Speisen vollstopfen und Tag für Tag recht ausgiebig abfüllen. Ah, der Güldenfelser Wein! Wenn ich es nicht besser wüßte, würde ich sagen, er stamme direkt aus dem Rebflußtal in Westberg. Der gute Mann scheint einen Narren an mir gefressen zu haben. Jeden Abend muß ich ihm Geschichten aus Eurem glorreichen Leben erzählen. Wie Ihr im letzten Jahr das Reich rettetet, indem Ihr bei der Neuausrichtung des Tores drei Mal ein GROSSES ERWACHEN spracht. Wie Ihr in Euren Erforschungen der Zwischenwelt den Rätsel stellenden Sphingen nur durch die List und Macht Eures Geistes entkamt. Wie der böse Erzmagier Etienne Lizu von Euch Besitz ergriff und Ihr ihn doch besiegen konntet. Und die traurige Geschichte Eurer kurzen, aber innigen Liaison mit Cantalas Dochadrian.

Allerdings mußte ich in einer bitterkalten Nacht am Pranger herausfinden, daß er es nicht länger schätzt, mit seinem vollen Titel „von der langen Hand“ angeredet zu werden. Daß ich am nächsten Abend versuchte ihn wieder aufzuheitern, indem ich die sonst im ganze Reich beliebte Geschichte zum Besten gab, wie der Räuberhauptmann Ian von der langen Hand einmal selbst bestohlen wurde, machte die Sache nicht besser. Aber was sind schon zwanzig Stockhiebe und eine weitere Nacht am Pranger, wenn man anschließend mit Wachteln gefüttert wird von den allersüßesten Küchenmädchen, die, wie sie mit leuchtenden Augen sagen, meinen Mut und meine stattliche Figur bewundern. Und dabei gießen sie mir noch einen Becher ein und beugen sich tief über den Tisch, ich aber kann mich gar nicht entscheiden, an welche Marmorkuppeln gelehnt ich denn diese Nacht verbringen will. Aber muß ich mich entscheiden?

Ach Herrin, ich bliebe gerne noch länger in diesen prachtvollen Hallen. Die hohen Säulen sind mit Blattgold belegt, damastene Wandteppiche zieren Gemächer und Gänge, man trinkt aus goldenen, manches Mal sogar mit Edelsteinen besetzten Bechern. Und über allem schwebt Ians plaudernder Geist. Kein Adliger im Land, der sich so aufs Amüsement versteht, keiner, der sich mit Ians scharfer Zunge duellieren könnte, keiner, der annähernd so galant wäre. Nichts zeugt davon, daß Güldenfels an die ehemalige Baronie Westberg grenzt. Ians strahlender Hof bildet ein rechtes Gegengewicht zum ernsten und forschenden Ton, der mit Euch in die Kernlande eingezogen ist.

Aber machen wir uns nichts vor: Dieser Mann will König werden. Jeder Adlige im Reich will das. Und Ian versteht sich neben der Heiterkeit bestens auf das Intrigenspiel. Kein Tag vergeht, ohne daß nicht Boten aus allen Ecken des Reiches einträfen. Ian ist gut informiert und er unterhält exzellente diplomatische Kontakte. Einige Besucher empfängt er sogar des Nachts. Vor einigen Tagen saß ich mit zwei Flaschen besten Güldenfelser Weins und einem gurrenden Täubchen auf meinem Schoß beim großen Teich hinter dem Schloß, als eine Gruppe von fünf hochgewachsenen Reitern heransprengte. Wir ließen uns behende ins hohe Gras sinken, um von den vermummten Gestalten nicht gesehen zu werden, und beinahe hätten sie noch unsere Kleider im nahen Baum entdeckt. Doch dann öffnete ein Diener das rückwärtige Tor und verschwunden waren sie. Die Mägde bekamen in dieser Nacht urplötzlich den Befehl, ein festliches Mahl zu bereiten und schufteten die halbe Nacht. Aber nur der Mundschenk persönlich, ein verschwiegener und Ian treu ergebener Mann, trug die Speisen auf. Niemand im Schloß außer ihm und Ian hat die Reiter gesehen. Ihre Pferde, auf die ich am nächsten Morgen einen unauffälligen Blick werfen wollte, waren schon wieder fort. Der Stallmeister aber versicherte mir, es seien edle Tiere gewesen...

Zu etwas anderem. Stiftet Frieden unter Euren zahlreichen Beratern! Es kann mir egal sein, daß Domitis mir meine Laute zu essen geben will. Ich habe einen harten Magen und werde sie ihm butterweich auf seinen Schreibtisch voller Ausweise kacken. Andere mögen weniger robust sein. Noch sind sie um Euer Wohl und das des Reiches besorgt. Stärkt einen jeden von Ihnen und macht Ihnen klar, daß sie voneinander nichts zu befürchten haben. Denn es ist gut, starke Männer und Frauen an Eurer Seite zu wissen.

Jandars Gemüt gleicht einem Feuerball, aber bislang war er Euch treu ergeben, Herrin. Es macht also keinen Sinn, Ihn eifersüchtig machen zu wollen, indem Ihr ihm Belturs Anschuldigungen zeigt. Woher ich davon weiß? Nein, nicht alles von den Gassenjungen. Aber es war nicht schwer, sich die Geschichte zusammenzureimen. Jandar wird Euch blind folgen, solange er glaubt, daß Ihr Imriths Wohl über alle anderen Überlegungen setzt und solange trotz Eurer silbernen Herrschaft über Imrith die rote Magie ihm mächtiger erscheint. Um letzteres müßt Ihr Euch wohl keine Sorgen machen. An ersterem solltet Ihr arbeiten.

Beltur, dem der Tod Mirandas das Herz gebrochen hat, verdient es, von Euch angehört zu werden. Seine Ratschläge mögen unbequem und langwierig sein, aber sie sind doch häufig gut. Hätte Miranda auf ihn gehört, wäre sie vielleicht noch am Leben. Achtet nicht auf seine altersbedingte Furcht vor dem Einfluß der Magie. Hört auf seinen Rat, daß Ihr beneidet werdet. Daß so viel Macht in einer Hand gefährlich ist. Die gleichen Adligen, die Euch im letzten Jahr jubelnd zur Truchsessin erhoben, weil sie Euch für schwach hielten und die gleichen Helden, die dem zustimmten, weil sie Euch für fähig hielten, mögen nun jemand anderen fähiger finden. Oder es mag ihnen bewußt werden, wie stark Ihr tatsächlich seid, wenn sie betrachten, welch rasanten Aufstieg Ihr genommen habt. Ihr seid noch lange nicht Thyra Khan.

Und es ist meine Pflicht als Euer Narr, darauf hinzuweisen, daß es in dem Spiel, auf daß Ihr Euch eingelassen habt, eigentlich nicht um Euer Wohl geht, sondern um das der Bewohner dieses Reiches. Wenn die Dienste so vieler Euch so treu gehören, dann weil ich glaube, daß Ihr ein gutes Herz habt und die Kraft, eine Einigung und Blüte des Reiches herbeizuführen. Dieses Ziel solltet Ihr nicht aus den Augen verlieren und Beltur erinnert Euch zu Recht daran.

Domitis ist ein machthungriger Mann, aber der beste, den Ihr Euch für die Sonnengarde wünschen könnt. Eurer Sonnengarde! Domitis ist zu sehr auf den künftigen König fixiert? Nun, dann macht ihm deutlich, warum Ihr und nur Ihr die neue Königin werden solltet. Bindet Ihn. Nur so wächst seine ganze Kraft Euch zu. Indem Ihr die Turmkrieger von Imrith in die Kernlande holt, macht Ihr Ihn statt dessen zu Eurem erbitterten Gegner. Und was die Adligen des Reiches angeht, so könntet Ihr Euch, anstatt die Turmkrieger zu rufen, auch gleich morgen zur Königin ausrufen lassen. Die Chancen für einen Bürgerkrieg wären ebenso hoch! Aus der Hand fressen wird Euch Domitis wohl nie, aber von welchem Wachhund würde man das auch verlangen, solange er hört?

Versucht nicht, Eure Berater gegeneinander auszuspielen. Hört ihnen lieber zu und ihr werdet den Rat eines Narren nicht benötigen.

Ich will weiter reisen. Es beginnen gewisse Eifersüchteleien unter Ians Küchenpersonal und ich will sehen, ob nicht auch in Sambriet das Essen gut, der Wein kühl und die Mädchen jung sind. Gute Schwanengläubige sind sie dort auf jeden Fall. Wenn ich dann demnächst nach einer großen Abschiedsvorstellung vor Ian und einer kleinen vor der Brünetten mit dem entzückenden Schmollmund das Weite suche, so werde ich das größte Rätsel dieses Schlosses nicht gelöst haben: Als ich vor Wochen hier anlangte, lag die Feier der Gründung der Grafschaft Güldenfels gerade eine Woche zurück. Das ganze Schloß brummte und summte mit der Geschichte, wie die zum Jubiläum geladenen Gäste erst am Ende des Abends schlafend abseits des Schlosses gefunden worden waren. Und keiner der noch Anwesenden konnte mir erklären, was vorgefallen war. Die wenigen, die sich an etwas zu erinnern glaubten, erzählten verworren und traumhaft von unzusammenhängenden Ereignissen. Und trotzdem ich aus ihnen kein vernünftiges Wort herausbekam, rührten mich ihre Beschreibungen seltsam an, so als wüßte ich ganz genau, wovon sie redeten, wie eine Insel, deren Anblick vertraut ist, die aber den Augen verborgen im Nebel schlummert, vielleicht nah, vielleicht fern, auf jeden Fall aber unerreichbar...

Die Welt ist tief wie der Schlaf, meine Herrin und wir kennen nur eine kleine Lichtung dieses riesigen Waldes.

Möge der Schwan seine Schwingen über Euch halten

Terken

Thyra an Beltur

Jetzt ist es Zeit, daß Thyra ihre Richtlinienkompetenz ausspielt und ihre zahlreichen Berater beruhigt.

Verehrter Beltur Ken Sokis,

Ihr wart Miranda Khan ein würdiger Berater und Kanzler des Reiches. Miranda, möge sie in Frieden ruhen, hat stets die „magischen Dinge“ in die Hände Imriths gelegt und sich um die weltlichen und religiösen Angelegenheiten des Reiches gekümmert. Dementsprechend gab es bislang eine harte Trennung zwischen Politik, Magie und Religion. Doch was wären Welt und Religion ohne Magie? Ihr merkt: das Eine kann ohne das Andere nicht sein. Wovor fürchtet Ihr Euch also, wenn jemand all dies zugleich aufnehmen und lenken möchte? Ist es nicht, die Welt als ein Ganzes zubetrachten und zu behandeln? Nein, ich denke nicht, daß Ihr einen Magier in einer weltlichen Machtposition, wie ich sie ausfülle, fürchten müßt.

Seid Euch gewiß, auch ich habe einiges in meinem Leben erfahren und erlebt. Manch einen Fehler habe ich begangen, den ich liebendgern wieder korrigieren würde. Es war der Fehler, zu leicht zu vertrauen. Euch kenne ich nicht so gut, wie Miranda dies tat. Auch kenne ich Eure Ziele und Ambitionen nicht genau. Der junge Jandar von Laurengard mag stürmisch sein wie das Feuer, das er zu lenken weis, aber ich weis, daß ich mir seiner Treue sicher sein kann. Er ist nun einmal ein Sohn Imriths, trotz aller Konkurrenz der Magierichtungen.

Und Ihr? - Ihr sagtet selbst, daß Ihr ein Fremder in dieser Welt seid. Jetzt wo unsere verehrte Königin nicht mehr am Leben ist, frage ich mich, was Euch hält. Eure Liebe zu Miranda Khan war glaube ich fast allen bekannt. Was hält nun Eure Treue zu Thron und Reich aufrecht? Versteht mich bitte nicht falsch, ich achte die Meineung des einzigen Menschen, der die Dinge aus einer völlig anderen Perspektive betrachten kann, aber ich verstehe Eure Motive nicht.


Auch Ihr habt Euch Sorgen über Domitis neueste Pläne der Sonnengarde gemacht. Auch Ihr habt mich über die Macht der Magie und deren Umgang in Kenntnis gesetzt. Aber haben wir nicht bei dem Mord an der Königin und der Flucht des Verurteilten Sir Rondrian gesehen, wie machtlos ein Krieger der Magie gegenüberstehen kann? In gewisser weise verstehe ich daher Domitis Wunsch, Schwert und Magie zu kombinieren und gemeinsam einsetzen zu können. Wer wüßte solches besser als der Erzmagier von Imrith? Ich werde diese Pläne mit Domitis zusammen durchdenken und dann werden wir wohl sehen, inwieweit diese Pläne überhaupt umzusetzen sind. Die Geschichte sagt zwar, daß die Sonnengarde eine reine Kriegerkaste sei, aber zuweilen müssen sich Dinge nun mal ändern, um den Erfordernissen der Zeit angepaßt zu werden.


Ich danke für Euren Rat


Thyra

Truchsessin des Reiches, Erzmagierin von Imrith




4.12 Thyra an Domitis. Zu guter letzt antwortet Thyra auch Domitis persönlich. Mit diesem Brief bricht die Auseinandersetzung plötzlich ab – wir hatten offenbar etwas anderes zu tun. Zu den Ausweisen ist es, wie ihr wißt, nie gekommen. Trotzdem hat Domitis der Sonnengarde zu neuem Glanz und Ansehen verholfen. Beginnend mit seiner Amtszeit mußten wir nie wieder betteln, daß irgendein Spieler doch bitte Gardist werde. Die Garde hat einen guten Ruf und ist jedes Jahr exzellent besetzt.


Mein lieber Hauptmann Domitis von Perdruin,
es scheint, als hätte ich Euch in Eurem ersten Schreiben bezüglich der Magier in der Sonnengarde etwas mißverstanden. Wie Ihr in Eurem letzten Brief schriebt, seit Ihr Euch der Schwierigkeiten eines solchen Unterfangens und den anderweitigen Interessen der Magiebegabten bewußt. Korrigiert mich bitte, falls ich einem weiteren Irrtum unterliegen sollte...

Ihr wünscht meine Hilfe, darin die Sonnengarde auch Magiern interessant zu machen? Spracht Ihr nicht zuerst von Magiern, die noch keiner anderen Gruppierung angehören? Die somit keinem anderen Dienstherren verpflichtet sind als Euch und der/dem zukünftigen KönigIn?

Sollte ich Euch also bei Eurem Problem helfen, so würde die Sonnengarde doch immer von mir, der Erzmagierin abhängig sein. Da ich ja durchaus gewillt und optimistisch bin, Königin zu werden, würde dieser Umstand ja nur hilfreich sein. Aber für den Fall, daß jemand anderer König werden sollte, wird es wohl schwierig werden, diese Machtposition Eurem Dienstherren zu erklären.


Eure Neutralität in Bezug auf die Königswahl in allen Ehren, aber ich denke, daß ich Eurer Unterstützung wohl doch sicher bin. Ich werde wohl doch auf den zusätzlichen Schutz der Turmkrieger verzichten können, so wie die Dinge jetzt liegen und ich mir Eurer Loyalität sicher sein kann.


Verzeiht mir also meinen anfänglichen Irrtum, dessen logischen Schlußfolgerungen Euch ja wohl nicht verborgen geblieben sind. Ach, wegen der „Verbreitungstendenzen“ gewisser Schreiben...

Ich brauche doch wohl nicht zu erwähnen, daß die Sicherheit bei Hofe ein Thema ist, dem man mit Diskretion begegnen sollte, damit kein Außenstehender Eure Pläne unterlaufen kann. Deshalb würde ich Änderungen an der Sicherheit der Ausweispapiere an Eurer Stelle nicht zu Öffentlich diskutieren, da sonst eine Fälschungssicherheit nicht mehr zu gewährleisten wäre.

Im Sinne dieser Sicherheit schicke ich Euch dieses Schreiben versiegelt, Euch zu treuen Händen. Es geht schließlich um die Sicherheit von Thron und Reich.


In Spannung erwarte ich Eure genaueren Pläne für unsere Zusammenarbeit im Sinne der Sonnengarde. Hochachtungsvoll


Thyra

Truchsessin des Reiches, Erzmagierin von Imrith




5. Nun schlägt die Stunde des Hofnarren. Aus Güldenfels hat er schon berichtet, es sollten Darstellungen aller Baronien folgen. Doch nach Sambriet und Aquilar rückte Spiel 11 bedrohlich näher und so sind die übrigen Berichte nie verfaßt worden.


5.1 Terken an Thyra aus Sambriet. Der Brief deutet das dunkle Geheimnis des Grafen von Sambriet an: Er ist das Oberhaupt der verbotenen Inquisition und hält den Hohepriester Lucius gefangen. Den Brief konnte man im Spiel finden.


Gasthof Zum Einhorn, an der Grenze Sambriet-Kernlande


Weiße Erzsessin von Inrid und ruchlose Trugmagierin des Reiches: Thyra!


Meine Beste, ich bin vollkommen betrunken. Nicht aufregen, könnt Ihr mich noch früh genug für an den Pranger stellen. Meine Güte, Ihr könnt froh sein, daß Ihr überhaupt noch einen Hofnarren habt! Erst bringen mich die Dämonen beinahe um und dann die Gepanzerten des Grafen, weil ich fast von Dämonen umgebracht worden bin. Wer da nicht das Trinken anfängt, ist selbst ein Dämon. Und meine geliebte Laute haben diese Schweine zerschlagen! Ich könnte heulen, wenn ich diese [einige unleserliche, weil verschmierte Zeilen]
Einen Tag später, oder zwei.
Gut, mir geht´s besser. Bedauerlicherweise ist in Sambriet so gut wie gar nicht an Pergament zu kommen, so daß ich hoffe, Eure Weisheit werden mir obige kleine Ausrutscher gnädigst verzeihen und anstatt meine Verwandlung in ein Huhn für Euren Kochtopf anzuordnen, den getreulichen Bericht lesen, wie Euer armer Narr beinahe sein Leben verloren hätte.
Daß ich von Güldenfels nach Sambriet gelangt war, hatte ich noch gar nicht bemerkt. Nur Dörfer gab es auf einmal keine mehr. Dafür aber eine Menge ausgebrannte Ruinen, verwüstete Felder und abgeholzte Wälder. Bei den Wäldern bin ich mir nicht mehr so sicher, ob das auch die Dämonen waren, aber bei den Dörfern war kein Vertun: Alles ausgelöscht oder verschleppt und große Steinhaufen, unter denen die Toten vergraben lagen. Die Brunnen mit grünlichem Schleim gefüllt, überall die Einschläge von Feuerbällen.
Im dritten toten Dorf dann rauchten die Ruinen noch. Ein Knistern von starker Magie hing in der Luft, das einem die Nackenhaare aufstellte. Es roch nach verkohltem Fleisch, nach verbrannten Haaren. Langsam ging ich die Dorfstraße hinunter. Kein Lebenszeichen. Kein Vogel, kein Insekt, nicht einmal Ratten in den Ruinen. Nur das elende Knistern, nicht sichtbar, nicht hörbar, aber doch da. Meine Glöckchen klingelten viel zu laut.
Auf dem Dorfplatz erwartete mich schließlich der grauenvollste Anblick, den Ihr Euch vorstellen könnt. Die Leichen der verbrannten Kinder lagen in seltsamen Mustern über den Platz verstreut und es dauerte eine Weile, bis ich begriff, daß die Dämonen ihre Spiele mit ihnen getrieben hatten. Wenn ich die Muster richtig gelesen habe, dann warf ein Dämon die Kinder, von denen er schon mal eine Hand oder einen Schenkel probiert hatte, während zwei weitere versuchten, sie mit Feuerbällen in der Luft...vielleicht wollt ihr das alles gar nicht wissen.
Erwachsene waren nur wenige zu sehen. Einige, die vor Schreck gestorben waren, einige, deren Bäuche geplatzt waren, weil die Dämonen... ich mußte mich übergeben. Und dann nahm ich einen tiefen Schluck und noch einen und wandte mich zum Gehen, als ich aus den Augenwinkeln auf der anderen Seite des Platzes einen Feuertänzer und zwei Infernos erblickte. Noch bevor ich Deckung suchen konnte, flogen die beiden Infernos schreiend auf mich zu. Jetzt hieß es schnell handeln. Wären sie erst einmal herangekommen, hätte mich ihre Explosion zerrissen. Ich ließ meine Wurfsterne aus den Ärmeln fallen und warf sie gleichzeitig. Der linke verfehlte sein Ziel nur um Zentimeter, der rechte aber traf ein Inferno in die Brust und seine Detonation ließ auch das andere Chaoswesen mit einer gewaltigen Druckwelle explodieren und in einem glühenden Feuersturm enden. Ich wurde zur Seite geschleudert und landete hart auf meiner linken Schulter.
Unter Schmerzen versuchte ich aufzustehen und mich umzusehen. Wo war der Feuertänzer? Ich brauchte nicht lange zu suchen. Mit eleganten Schritten glitt der Dämon über den Platz auf mich zu, seine beiden Schwerter kunstvoll rotierend. Es war viel zu spät, um zu fliehen. Also griff ich meine Laute und spielte dem Dämon auf zum TANZ. Und der Feuertänzer tanzte. Erst eine Gigue, dann ein Menuett, einen Bransle und eine Pavane. Immer wieder holte er nach mir aus, mußte aber doch weitertanzen. Die Frage war nur, wer schneller ermüden würde von uns beiden. Ein Wettkampf, den seine dämonische Natur sicherlich für ihn entschieden hätte, auch wenn ich mich rühmen kann, schon nächtelang durchgespielt zu haben. Noch ein Tanz und noch einer. Wir müssen ein fröhliches Bild abgegeben haben, der Dämon, der tanzend nach dem Narren schlägt und der Narr, der dem Dämon zum Tanz aufspielt.
Zu meinem Glück trafen noch vor Sonnenuntergang die Gepanzerten des Grafen ein. Sie schlachteten den Dämon schnell und ohne größere Verluste (einer der Reiter verlor seine Hand, ein anderer sein Pferd), und beinahe hätten sie auch mich niedergemetzelt. Es hat mich viele Worte gekostet, sie zu überzeugen, daß ich ein gläubiger Schwanenanhänger bin. Leider konnte ich sie nicht davon abhalten, meine Laute zu zertreten. Muß ein Instrument, daß einen Höllenfürsten tanzen läßt, nicht selbst dem Chaos entstammen? Meine arme Laute. Wenn ich denke, in wie viele Herzen und unter wie viele Röcke sie mich gespielt hat. Nun hat sie ihr Leben für mich gegeben. Nicht einmal ihre Trümmer durfte ich mitnehmen. Sie endete mit all den anderen Leichen des Tages auf einem riesigen Scheiterhaufen.
Der Ritt zur Burg des Grafen war hart, denn man hatte mich hinter einem der Gepanzerten auf ein Pferd gebunden. Drei mal wäre ich beinahe gestürzt, im Hof der starken Burg war es dann so weit. Der Gepanzerte hielt mit einem Ruck, so daß ich seitlich vom Pferd herabfiel und hart auf dem Boden aufschlug. Während ich mich lautstark über diese Behandlung beschwerte, glitt mein Blick empor an einer schlanken, weiß gekleideten Gestalt, deren eindringlicher Blick sich in mich bohrte: Graf Imrael Azûl von Sambriet.
“Der Narr.” sprach er trocken. “Darf ich Euch zum Essen einladen?”
Ich bin stets von neuem überrascht, wie jung er ist. Als der Sturm in Westberg losbrach, war Azul gerade einmal zwölf Jahre alt. Der dezenteste Adlige des Reiches sicherlich, kein überflüssiger Schmuck ziert seine Burg, alles ist auf die Anbetung des Schwans und die Verteidigung des Reiches ausgelegt. Sambriet, das ist nicht zu übersehen, befindet sich seit Jahren im Krieg. Dementsprechend karg war auch das Mahl, daß ich mit Azul einnehmen durfte. Er stellte viele Fragen, zeigte sich interessiert, aber gegen das heitere Geplauder in Güldenfels wirkten seine Worte hart und angespannt. Andererseits wirkt seine Rede im Vergleich zu Eurem wissenschaftlich-trockenen Tonfall wie geistreiche Konversation. Nichts für ungut.
Ihr könnt auf jeden Fall damit rechnen, daß dieser Mann König werden will. Natürlich ist er viel zu zurückhaltend, um das zuzugeben. Aber aus jedem seiner Worte spricht die Überzeugung, daß das Land einen schwanengläubigen König benötigt, einen König der in den Krieg zieht gegen den Westberg und den Konflikt mit Gheliand nicht scheut, der Laarmoor zum Protektorat der Paladine erklärt und die alte Macht mit Stumpf und Stiel ausrottet. Radikale Ansichten für einen derart dezenten Menschen. Azul bringt sie mit einem Lächeln vor, in gepflegten Worten spricht er vom notwendigen Tod aller, die das Böse unterstützen. Ich unterhielt den Grafen noch mit einigen Lobliedern auf den Schwan, und wir gingen früh zu Bett.
Nach diesem Abend hatte der Graf nur noch wenig Zeit für mich. Er führte Tag für Tag die Paladine des Schwans in den Krieg, suchte die Grenze zu sichern und Vorstöße nach Westberg zu wagen. Ich mußte mich also anderweitig beschäftigen. Leider ist das Küchenpersonal hier sehr furcht- und wenig anschmiegsam. Und nur den ganzen Tag beten und Dämonen schlachten ist wirklich kein erstrebenswertes Leben. So irrte ich also tagsüber durch die Gänge der Burg, ließ mich von der Haushofmeisterin aus der Küche werfen, sobald ich einmal aus einem Topf naschte oder eine fröhliche Melodie anstimmen wollte. Niemand, der mit mir Fate and Fortune spielen mochte oder Türme von Imrith. Spielen ist schließlich ein Laster. Möge der Schwan seine Schwingen über meinem sündigen Leben ausbreiten.
In der kleinen Bibliothek, die ich nach einigem Suchen fand, traf ich schließlich auf seine Heiligkeit, den Hohepriester. In der wohl schwanengläubigsten Baronie des Reiches verwunderte es mich nicht, Lucius vom Schwan zu Gast in den weißgetünchten Hallen Sambriets anzutreffen. Seltsam nur, daß es eine Woche dauerte, bis ich ihm begegnete. Na, es ist eine Freude mit diesem gelehrten Mann die Absurditäten der Naturreligionen zu erörtern. Selten habe ich jemanden getroffen, der die Feinheiten des Naturglaubens derart überblickte. Lucius scheint sich in der Festung seines Glaubens sogar eine gewisse professionelle Faszination für andere Religionen zu erlauben. Nie fand ich ihn zornig oder auch nur gereizt, stets ging er mit Güte und Umsicht auf meine oftmals forsch vorgebrachten theologischen Fragen ein und wußte sie alle befriedigend zu beantworten. Manchen Abend saß ich mit ihm beisammen, er ließ sich sogar zu ein, zwei Partien Türme von Imrith überreden (weil man ja kennen muß, wogegen man predigt). Mir scheint, daß er einen gewissen Ehrgeiz entwickelte, mich zu besiegen. Meine Reisekasse habe ich nebenbei auch aufgebessert. Schließlich fragte ich ihn, ob er das Leben am königlichen Hof aufgegeben habe (ich wollte feststellen, ob er einen Groll gegen Euch hegt) und er gab eine seltsame Antwort: “Ich habe”, sagte er, “schon mehrfach den Beschluß gefaßt, in die Kernlande zurückzukehren. Doch tut sich immer ein neues Hindernis auf. Mal verhindert ein Dämonenangriff die Bereitstellung einer Eskorte für meine Person, mal gibt es ein Fest des Schwans zu begehen, mal vergesse ich in diesen Hallen meine Entscheidung ohne ersichtlichen Grund. Aber ich garantiere Euch, daß ich spätestens zur Krönung zurückkehre.” Was ein netter, alter Mann.
Ich bin ein schlechter Mensch, denn habe mich gründlich in der Burg des Grafen umgesehen. Und ich bin ein noch schlechterer Mensch, denn ich habe die Burg und Sambriet anschließend verlassen, ohne mich zu verabschieden. Der Narr muß frei sein wie ein Bettelmusikant und der Narr behauptet von sich, daß er nun klüger ist, als gesund sein kann für irgendeinen Bewohner des Reiches.


Möge der Schwan seine Schwingen über Euch halten
Euer Hofnarr Terken




5.2 Terken an Thyra aus Aquilar, dem Land der künftigen Königin...


Aquilar, im sechsten Monat des Jahres


Weise Erzmagierin und ehrwürdige Truchsessin des Reiches, Thyra!


Seine Heiligkeit, der Hohepriester, ist doch ein kluger Mann. Was hat er mich nicht vor den schädlichen Auswirkungen des Glücksspiels gewarnt. Aber ich mußte ja unbedingt in Aquilar mein Glück versuchen, Fate and Fortune spielen und mich selbst in Schwierigkeiten bringen. Aus Sambriet kommend, hatte ich den kürzesten Weg durch die Kernlande gewählt, um nach Aquilar zu gelangen. Wie Ihr wißt, führt die große Heerstraße von Sambriet aus zunächst zur Hauptstadt, bevor sie von dort Richtung Aquilar weist. Ich aber wählte einen wenig begangenen Weg vorbei an der Burg des untoten Königs. Der alte Handelspfad quert die Baradina (so zumindest wird sie hier genannt), welche in den Mooren von Laarmoor entspringt, unterhalb der königlichen Burg vorbeifließt und schließlich in den großen östlichen Grenzfluß mündet, der in jeder Baronie des Reiches einen anderen Namen trägt. Eine alte Brücke findet sich kurz unterhalb jener Stelle, da der Ygoire, welcher in den südlichen Wäldern Sambriets entspringt, in die Baradina mündet. Ich wanderte gemächlich die Ufer des Ygoire hinauf in Richtung seiner Quelle, in meiner Begleitung zwei entzückende Tänzerinnen, die, während ich des Abends in Wirtshäusern zum Tanz aufspielte, den Bauern mit ihren exotischen Bewegungen den Kopf verdrehten. Selten habe ich so gut verdient.

Vor etwa drei Wochen dann erwachte ich gegen die Mittagsstunde in einem lichten Hain im Süden Aquilars nahe der Quelle des Ygoire. Meine beiden Gefährtinnen waren verschwunden, sie hatten sich nach dieser stürmischen Nacht wohl gedacht, daß man gehen soll, wenn es am schönsten ist. Leider hatte meine Reisekasse offenbar den gleichen Gedanken. Völlig ausgelaugt trottete ich zur Quelle, um einen klaren Kopf für den Tag zu bekommen. Und während ich so im kleinen Teich umherplansche, ein wenig vor mich hinpruste, mich auf dem Rücken treiben lasse und mir überlege, daß die letzte Nacht den Verlust all meines Geldes dreimal wert war, erscheint mit einem Mal eine stattliche Reiterin zwischen den Bäumen. In erlesene Stoffe gekleidet, wie es Sitte ist in Aquilar, sitzt sie herrschaftlich auf ihrem edlen Pferd. “Was,” so spricht sie mich mit ernster Miene an, “treibst Du in den Jagdgründen meiner Herrin Kristín, der Marquesa von Aquilar?” Aua-haua. Aquilar hat schon wieder eine neue Marquesa?

Nun, wie der Schwan mich schuf, steige ich aus dem Wasser und verbeuge mich tief, ganz wie es der Anstand gebietet. “Mein Name ist Terken, werte Frau, und ich bin ein Narr, wie ihr an meinem spärlichen Gewand erkennen könnt. Und wer anderes als ein Narr würde es wagen, in den Jagdgründen Eurer Herrin zu übernachten? Nun hoffe ich , daß Eure Herrin nicht Jagd auf mich machen läßt (denn ich bin zwar närrisch, doch wenig narrhaft) und mich statt dessen einlädt, in den Jagdgründen ihres Schoßes zu übernachten.”

“Wie bitte?” Wie man sich versprechen kann!

“Hehe. In den Jagdgründen ihres Schlosses meinte ich selbstverständlich.” ergänzte ich und bemühte mich um mein unschuldigstes Lächeln. In jeder anderen Baronie des Reiches wäre ich nach diesem Auftritt ein toter Mann gewesen. Doch Aquilar ist anders als die anderen Baronien. Die Reiterin musterte mich lange, dann sprach sie:

“Du hast Dein Leben verwirkt, Narr. Aber vielleicht kannst Du meiner Herrin vor Deinem Tod noch als Spielmann nützlich sein. Hol Deine Kleider und Instrumente!”

Und so bin ich mit allen Ehren am Hof der Marquesa eingeführt worden. Edel ist das Wort, das einem zuerst in den Sinn kommt, wenn man die innersten Hallen Aquilars betritt. Alle Höflinge sind in erlesene Gewänder gekleidet, die Menschen bewegen sich hier mit einem eleganten, gespannten Schritt, und jedermann ist aufmerksam in beiden Bedeutungen des Wortes. Die Aquilienne sind zuvorkommend und wachsam. Das erste Bankett, auf dem ich (natürlich ohne Entgelt, denn ich galt ja als Toter und Tote erhalten keinen Lohn) zum Tanz aufspielte, bestätigte diesen Eindruck. Gerade kostete ich den phantastischen Wein, der den Musikern gereicht wurde, als mir auffiel, daß meine Mitmusiker nicht tranken, sondern mich argwöhnisch beobachteten. Erst als ich keine Anzeichen einer Vergiftung zeigte, tranken sie ebenfalls, prosteten mir freundlich zu, schenkten nach, und erwiesen sich überhaupt als begabte Gastgeber.

Leider sind drei von ihnen bereits nicht mehr am Leben. Man fand zwei erstochen auf einem Abort sitzend. Ihre Mörder sind nicht gefaßt worden, und ich denke auch nicht, daß sie noch gefaßt werden. Alles was man über den Grund ihres Ablebens weiß, ist ihr Hang zum Glücksspiel (aber welcher Aquilienne spielte nicht?) und daß sich am Abend vor ihrem Tod bei Hofe das Gerücht verbreitete, sie seien nach einer Reihe von riskanten Einsätzen endgültig unfähig, ihre immensen Schulden zu bezahlen. Tatsächlich hat sich an ihnen keine Münze gefunden, obwohl sie mir im Spiel an jenem Abend hundert Goldmünzen abgenommen haben. Ich will nicht hoffen, daß mein Gejammer über meinen Verlust zu ihrem Tod beigetragen hat.

Die Marquesa Kristín, der ich mit allen Geboten der Form vorgestellt wurde (wie überhaupt in Aquilar die Etikette geschätzt und hochgehalten wird), ist eine hochgewachsene, interessante Frau, deren Drang Königin zu werden wohl nur noch von ihrer Spielsucht übertroffen wird. Sehr schnell fand ich eine Platz an ihrem Spieltisch und gewann an diesem Abend nicht nur mein Leben zurück, sondern auch noch einige hundert Goldstücke hinzu. Eine Woche lang spielte ich und befreite mit meinem Geschick den halben Adel Aquilars von seinen schweren Geldbörsen. Ich lieh edlen Fräuleins Geld gegen kleine Gefallen, ich erließ zwei Fürsten ihre immensen Schulden, wenn sie im Spiel zu meinen Gunsten einen dritten ruinierten. An den Abenden spielte ich weiterhin umsonst auf den grandiosen Festen der Marquesa, die Tage über spielte ich Fate and Fortune, jede Nacht verbrachte ich in drei, vier Betten. Ich hätte wohl noch weiter gespielt, aber als ich eines Abends mit den übrig gebliebenen Musikern auf meinen Erfolg anstieß, fiel der Krummhornist, der seinen Becher zuerst und in einem Zug gelehrt hatte, tot zu Boden. Da wurde mir klar, auf was für ein Abenteuer ich mich eingelassen hatte und erschrocken begann ich meine Abreise zu planen. Ich erließ meinen Schuldigern sämtliche Schulden indem ich ihnen ihre Pfänder und Schuldbriefe zurücksandte, ich erwarb ein Pferd, daß mich und eines, daß meinen neuen Reichtum tragen sollte, ich organisierte eine Passage auf dem großen Grenzfluß gen Norden. Aber noch bevor ich mich absetzen konnte, wurde ich vor die Marquesa geladen, die mit einem beiläufigen Winken ihrer Hand mich nötigte, mich an ihren Spieltisch zu setzen.

“Es ist mir zu Ohren gekommen,” sprach sie, “daß Ihr etwas erfahren habt über den Verbleib meines Cousins?“

Zu ihrer Seite lächelte mich ihre Schwester Isabell abfällig an. Nun steckte ich wirklich in der Klemme. Es war die Schwester der Marquesa selbst gewesen, die mir zwischen zwei sehr befriedigenden Ritten mit immer noch schwerem Atem Andeutungen über ihren Cousin gemacht hatte. Was wurde hier gespielt?

„Ich kann mich nicht erinnern, solche Geschichten gehört zu haben.“ leugnete ich. Sollte ich etwa Isabell als meine Quelle benennen? Außerdem hatte ich wenig Lust zu erzählen, was mir denn da so zu Ohren gekommen war.

Die Marquesa lächelte nun ebenfalls abfällig, eine exakte Kopie ihrer Schwester: „Aber es ist doch richtig, daß ihr Reisevorbereitungen trefft, Narr?“ Ich nickte vorsichtig. Das wußte sie also auch schon. „Nun“ sagte die Marquesa mit einem breiten Strahlen „Reisende soll man nicht aufhalten. Aber bevor ihr geht, werdet ihr mir doch ein letztes Spiel nicht verwehren?“

Was hätte ich sagen sollen? Wissend, was nun folgen würde, blieb ich an ihrem Spieltisch sitzen. „Wir spielen Fate und Fortune!“ rief die Marquesa und lud mit einer Handbewegung einen ihrer Höflinge als vierte Person mit an den Tisch. „Ein Punkt Abstand kostet 50 Goldstücke an diesem Tisch.“ Selbst den Adligen im Saal stockte der Atem ob dieser Ansage. Der hinzugebetene Höfling wurde kreidebleich. „Macht Euch keine Sorgen“, sprach die Marquesa zu ihm, „ich komme für Eure Schulden auf.“

Muß ich erwähnen, wie das Spiel ausging? Ich verließ Aquilar zu Fuß, froh am Leben zu sein. Meine Passage den Grenzfluß hinauf habe ich mir in der letzten Woche in Gasthäusern verdient. Na, genug für heute, ihr habt schließlich ein Reich zu verwalten. Wir wollen ja, daß es hübsch aussieht, wenn die neue Königin gewählt wird, nicht wahr?


Möge der Schwan seine Schwingen über Euch halten
Terken




6. Zu Spiel 11 (Streit um die Krone) existiert ein reizender Bericht der Ziehmutter des Drachens. Augerechnet „Grisu“ genannt zu werden fand Stephan allerdings gar nicht lustig. Nebenbei erwähnt wird der Scholar Ismael, unser Verräter in Spiel 13.


Mein Name ist Lyana, Zauberin aus Güldenfels - bis vor kurzem stand ich im Dienste des Grafen Ian von der Langen Hand.
Dies ist mein Bericht über die Ereignisse anläßlich der Königswahl im Hochsommer diesen Jahres. Schauplatz dieser Geschehnisse: das Königsschloß in den Kernlanden.


Graf Ian, die Kämpferin Menerid und ich reisten von Güldenfels an, des Grafen Taschen wohl gefüllt mit Gold, schließlich galt es einen Thron zu erringen - oder zu erkaufen. Ein allzu förmlicher Empfang durch die Truchsessin und Erzmagierin Thyra stand uns bevor, höfisches Gehabe, wie es uns Güldenfelsern unbekannt ist - lästige Etikette! Bei Tisch mischten Menerid und ich uns unter die Gefolgsleute von Clannstead, eine wahrlich kuriose Mischung aus kultivierten Gelehrten und barbarischen Wilden. Noch während des Empfangs forderte Graf Ian die umgehende Wahl eines neuen Königs. So wurden die Fronten geklärt, als ein Adliger nach dem anderen sich erhob und eine feurige Rede schwang: die Nordmark schrie „Alte Macht!“ und kaum weniger laut der Laird von Clannstead: „Tod den Dämonen Westbergs!“. Der Graf von Sambriet, mit ebenso pathetischem Unterton, drohte Gheliand und Westberg zugleich.

Allein die Marquesa von Aquilar und Ian selbst drohten mit Frieden. Daß alle Kandidaten ihre Stimme für sich selbst geben würden, schien unzweifelhaft, und so geschah es. Sodann wurde ein Tag lang Aufschub gewährt, und das Spiel um den Thron - der Tanz um Macht, Magie und Gold - eröffnet.

Noch an diesem Abend erhielt Güldenfels unerwartet fähige Unterstützung: durch den Kaufmann Kelben und seinen kampfeslustigen Pagen, Landril, den Kämpfer Tullio, den Schönschreiber Xenios und den Scholar Ismael. Ian erörterte den neu Hinzugekommenen gerade die aktuelle politische Lage anhand der Karte im Rittersaal, als der Laird von Clannstead und der Graf von Sambriet, händchenhaltend beinahe, dazukamen und der eine dem anderen die Einfälle der Orcs nach Llaarmor zu schildern begann... Es entspann sich eine Diskussion, und sogleich kam die oft gestellte Frage auf den Tisch: warum Güldenfels Grenze sicher sei, die von Sambriet jedoch nicht?

Ein fulminantes Rededuell, in dem Ian den Grafen Azul durch Erwähnung dessen, was Jedermann sage und wisse, zur Weißglut trieb; der Graf indes beherrschte sich meisterhaft und konterte. Angriffe seltsamer Schattenwesen beendeten die Unterhaltung jäh.

Später an diesem Abend lernte ich die Marquesa von Aquilar kennen, eine schöne und scharfsinnige Frau, in der Tat „ganz reizend“. Zwischen Güldenfels und Aquilar waren die Gemeinsamkeiten offensichtlich: Niemand wollte einen Krieg; allein die Tatsache, daß Aquilar ein freies Llaarmor unterstützte, schien ein wahrhaft mißlicher Umstand.

Gespräche wurden geführt und diplomatische Kontakte gepflegt; man suchte Verbündete und fand Gegner, es gab tausend Dinge zu tun und andere zu unterlassen, und zwischen beidem äußerst schnell und klug zu entscheiden. Ein Bündnis mit fast jedem schien möglich.

So ging der Abend zuende, und man begab sich zu Bette.

Der nächste Tag begann früh, und es waren viele Entscheidungen zu treffen. Graf Ian unterwies die neuen Kämpfer und Menerid vor der Burg im Schwertkampf. Gleich im Anschluß brach eine Gruppe unserer Güldenfelser durch das Portal ins Feenreich auf. Währenddessen erklärte Ian, daß es fast sicher zu einem offiziellen Wettstreit der Gefolgschaften um den Thron kommen werde, da eine einstimmige Entscheidung unmöglich zu erzielen sei.

Ich kehrte auf den Burghof zurück. Allgemeine Geschäftigkeit vertrieb mich schließlich in die Bibliothek der Burg. Wenig Aufschlußreiches schien dort zu finden. Interessanter war es in der Kammer der Haushofmeisterin... Wenngleich ich Silber putzen mußte, um die Gelegenheit zu erhalten, etwa Bemerkenswertes zu erfahren.

Im Nachhinein stellte es sich heraus, daß es äußerst klug war, ein gewisses Schreiben mitzunehmen, das dort herrenlos herumlag, ich wünschte nur, ich hätte zugleich auch jenes hochmagische Amulett, aufgeladen mit grüner Magie, in meinen Besitz gebracht... Sei es drum. Aus Gefälligkeit überließ ich das Schreiben Sir Maltus von Aquilar, und wir eilten beide zum vereinbarten Treffen unserer Fraktionen.

Gegen Mittag schlossen Aquilar und Güldenfels ein Bündnis, das nur durch die Tatsache getrübt wurde, daß Aquilar sich weigerte, Ians Thronanspruch vor dem der Marquesa anzuerkennen... Ich weiß, die tapferen Leute aus Aquilar würden diese meine Formulierung wohl mit allem Nachdruck verurteilen.

Es galt nun, die anderen Kandidaten für den Thron wenn möglich auszuschalten und andere dazu zu bewegen, für das Bündnis zu stimmen.
Jenes Schreiben aus der Kammer der Haushofmeisterin erwies sich, zusammen mit der Aussage des geschätzten Hauptmann Domitis, als wertvolles Zeugnis. Durch seine bloße Erwähnung gelang es den Leuten von Aquilar, den Grafen von Sambriet nicht nur von seinen Kriegsplänen abzubringen, sondern ihn auch zu einem eifrigen Verfechter des Bündnisses zu machen... Nein, fragt mich nicht, was der Hohepriester Lucius vom Schwan mit dieser Sache zu tun hatte!

Kurz darauf begaben wir Güldenfelser uns zusammen mit Ian von Neuem zum Übungsgelände, wo die Kämpfer ihre Ausbildung fortsetzten. Ich zog mich zunächst an einen Ort der Meditation zurück, und das Aufeinandertreffen der Klingen, das Singen des Stahls drang nur gedämpft an mein Ohr.
Etwas später suchten wir einen abgelegenen Ort im Wald zurück, an dem Ian uns in einer besonderen Kunst unterwies.
Unsere Runde zerstreute sich kurz darauf, als zum Turnier in den Wiesen am Fuße der Burg gerufen wurde. Ich schloß mich den Kämpfern nicht an, versprach ich mir doch mehr davon, im Burghof Gespräche mit den Zurückgebliebenen zu führen... Ich gesellte mich auf eine Runde zu dem Narren Terken.
Mit mäßiger Neugier bemerkte ich während des Würfelspiels in seiner kleinen Truhe einen offensichtlich magischen Gegenstand, einen Halbedelstein mit einer merkwürdigen Runenzeichnung darauf.

Ihr könnt mir an dieser Stelle glauben, daß ich mich am liebsten selbst erwürgt hätte, MIR SÄMTLICHE HAARE EINZELN AUSGERISSEN, als ich später begriff, was ich dort gesehen hatte, ohne es zu wissen... verdammt, verdammt, meine einzige Entschuldigung ist es, daß ich diesen Gegenstand nie zuvor mit eigenen Augen gesehen hatte und ihn nicht erkannte. Dennoch könnte ich mich ohrfeigen, wenn ich daran denke, daß ich die Sache auf sich beruhen ließ... Immerhin konnte ich dem Narren entlocken, aus welchem Landstrich er das magische Ding hatte, doch selbst das brachte mein ausgedörrtes Hirn nicht in Gang! Oh ich Tochter einer Bergziege, ich Rindvieh, ich IDIOTIN.... wenngleich es mich nach wie vor in Rage versetzt, daß dieser TÖLPEL, der sich einen Räuberhauptmann schimpft, nicht besser auf seinen Besitz aufpassen kann!

Nun, ich denke, in den heimatlichen Wäldern wird er Zeit genug haben, über seinen Fehler nachzudenken und ihn zu bereuen. Blutet, Ian von der Langen Hand, und rauft Euch Euer nicht grau werden wollendes Haar, und denkt an den Thron, den Ihr hättet einnehmen können! Dreimal verflucht dieser Narr Terken, mit noch längeren Fingern als die Euren.


Nun, ich greife vorweg, laßt mich in der Reihenfolge bleiben... Während die Kämpfer im Tal ihre Muskeln zerrten, schwitzten und bluteten, genoß ich die Sonne im Innenhof. Die Marquesa von Aquilar lud schließlich zu einem Spiel mit seltsamen Karten, genannt „Fate and Fortune“.
Wir Güldenfelser haben noch nie nein zu einer kleinen Partie gesagt, nicht wahr? Und so saß ich gleich darauf am Spieltisch, ratlos und staunend, als der Narr die Regeln erklärte. Schon bald schaute ich sehnsüchtig auf die Brüstung, bereit, mich hinunterzustürzen, wenn mir das Gelegenheit gäbe, dem drohenden Desaster zu entkommen, das sich anbahnte.
Petro, der Berater der Marquesa, riet mir energisch, den ausgesetzten Gewinn, ein Drachenei, für das Bündnis zu erringen, und als er mir tatsächlich einen Haufen Münzen in die Hand drückte und sagte: „Wenn Ihr mehr braucht, laßt es mich wissen“ überwand ich meine Trägheit. Die Tasche voller Gold, spielt es sich entschieden besser. Glaubt es oder nicht, ich gewann. Weder der jähe Tod Petros noch die fortwährenden Angriffe nervtötender Dunkelfeen konnten das Spiel endgültig unterbrechen. Sie zermürbten meine Nerven, das wohl, doch brachten wir schließlich, nach dem Wiederbeleben des Malville-Magiers, das Spiel zu Ende.
Und so stand ich da, mit dem längst vergessenen Goldschatz des Petro in den Taschen und einem Drachenei in den Armen...
Just zu dieser Zeit kehrte Graf Ian zurück. Während ich das Ei in mein Tuch wickelte und, gut bewacht von Sir Maltus, wie einen Schatz mit mir herumschleppte, kamen Ian, die Marquesa und der Graf von Sambriet zusammen, um über ihr Bündnis zu beraten. Es stellte sich heraus, daß wir Sambriet längst nicht alle Zähne gezogen hatten. Wasser war es auf den Mühlen der Aquilar-Leute, daß er sich weigerte, Ian auf dem Thron zu akzeptieren! Die Zeit wurde knapp, es schien unmöglich, das Bündnis mit Sambriet nur deshalb zu verwerfen. Zu stark dafür schien ein sich anbahnender Bund der Nordmark, der Schwertschwestern und Clannstead.
Wir Güldenfelser zogen uns mit Ian zur Besprechung zurück. Was war zu tun?
In dieser Stunde des Ränkeschmiedens wurde ein brillanter Plan geboren. Wenn man schon gezwungen war, die Marquesa auf dem Thron zu dulden, so konnte man sie doch wenigstens durch die List der Verführung dazu bewegen, ihn freiwillig mit Ian zu teilen?
Mit einem gleichermaßen finsteren wie anklagenden Blick und einem Gesichtsausdruck wie Zahnschmerzen gab Ian unseren Überredungsversuchen schließlich nach. Der Scholar wurde ausgeschickt, rosafarbenes Papier zu holen, und Xenius damit beauftragt, Worte der Liebe zu dichten. Dies gelang ihm mit überwältigendem Erfolg, und nur kurz darauf gelangten die Marquesa und Ian in einem Gespräch unter vier Augen zu einer Einigung. Die Augen der Marquesa leuchteten verzückt, des Grafen Blick war jedoch der eines gehetzten Wildes...


Ich verlor die Hofintrige in der folgenden Stunde etwas aus den Augen. Fürwahr, es gab ein Ei, das ausgebrütet werden mußte.
Ich wandte mich an Jandar von Laurengard, den Feuermagier. Er bekundetet den Willen, mir zu helfen, doch forderte er einen stattlichen Preis: ein Lied, von mir gesungen, um die Erzmagierin aufzuheitern. Ich stimmte zu, was blieb mir anderes übrig? Und so zogen Jandar und ich uns in den ersten Stock der Burg zurück.
Was sich dort begab, ist eine Angelegenheit der Hohen Magie. Ich selbst verstehe mich auf manchen Zauber, doch was Jandar dort tat, vermochte ich nicht ansatzweise zu durchschauen.
Er bedeutete mir, mich zu setzen. Direkt vor meinen Augen hüllte er das Drachenei in einen Glutball, den er mit Feuermagie weiter aufheizte. Sekundenlang schwebte das Ei in der Hitze, und ich starrte atemlos auf den glühenden Ballon...
Plötzlich begann der Glutball zu erbeben, zu erzittern, und man hörte ein Knirschen, ein Knacken. Immer schwerer fiel es Jandar, die Feuerkugel zu beherrschen, und mit gewaltiger Kraftanstrengung schleuderte er sie endlich von sich.
Ich sprang auf, und als ich um die Ecke sah, lagen dort die Schalen des Eis und daneben, zusammengerollt - ein Drachenjunges.
Ich stand atemlos da, und vor meinen Augen begann das Drachenbaby sich zu regen und leise, fiepende Geräusche von sich zu geben. Mit aller gebotenen Vorsicht trat ich drauf zu und streckte die Hand nach ihm aus.
Von diesem Moment an war ich die Ziehmutter eines Drachen.
Glaubt mir, diese Aufgabe erwies sich anfänglich als eine wahre Plage. Der Drache, so zahm er war, besaß die ganze Unschuld eines Babys und ein Vielfaches an Neugier, Übermut, Trotz und Energie... Der Göttin sei Dank, war Menerid bereit, sich seiner anzunehmen. Nachdem die allzu scharfen Krallen des kleinen Drachen so einige Kämpfer angeritzt hatten, machte sie sich daran, den nimmer enden wollenden Spieltrieb zu befriedigen und mit dem Schwert mit ihm zu üben... Der Drache, obwohl noch klein, war ganz gewiß nicht harmlos! Und mich, die ich seine Geburt zu verantworten hatte, trafen viele böse Blicke. Zu dieser Zeit erhielt der Drache den Namen Grisu, einen Namen, der nicht meinem Kopf entsprang, wohlgemerkt.

Wie eine aufgescheuchte Henne lief ich in der nächsten Zeit im Hof umher, um das Drachenbaby vom Unfug abzuhalten und zugleich die politische Sache Güldenfels‘ zu verfechten.
Und da gab es in der Tat allerhand zu tun. Der Graf Azul von Sambriet, der wohl Lunte roch, wollte sich nicht damit zufrieden geben, daß Ian versprach, die Marquesa als Königin zu akzeptieren. Er wollte das Wort des Grafen von Güldenfels, daß dieser nichts anderes als einen Ministerposten in der Regierung der Königin einnehmen würde.
Wieder zog sich die Fraktion von Güldenfels zurück, um zu beraten.
Nie zuvor habe ich Ian von der Langen Hand in einer solchen Verfassung gesehen, glaubt mir!
Sich den Schweiß von der Stirn wischend, wüste Flüche murmelnd, schritt er hektisch im Kreis auf und ab, packte seine Gefolgsleute beim Kragen, wie um sie dazu zu bringen, ihm einen Ausweg aus der bevorstehenden Ehe zu zeigen... ich wette mit Euch, hätte in diesem Moment ein gesatteltes Pferd bereit gestanden, er hätte sich darauf geschwungen und wäre geradewegs im Galopp davongeritten. Es schien, daß Ian sich in der Falle, die er selbst aufgestellt hatte, verfing.
Nicht, daß ich es nicht genossen hätte, ihn sich so winden zu sehen! Doch zum Schluß hatte ich beinahe Mitleid. Als er sich nach langem Ringen schließlich mannhaft entschloß, sein Wort gegenüber der Marquesa zu halten und die Ehe mit ihr einzugehen - um als Minister in ihrer Regierung zu dienen - war sein Blick nicht mehr nur der eines gehetzten, sondern vielmehr der eines zur Strecke gebrachten Wildes. Die Verwünschungen, die er gegen den Grafen von Sambriet ausstieß, zeugten von purer Mordlust.
Die Dinge schienen sich nun trotz allem recht günstig für Güldenfels zu entwickeln. Wenn auch nicht unbedingt für Ian selbst - doch ihr wißt ja, wir müssen alle Opfer bringen.


Bevor der Graf von Güldenfels und die Marquesa von Aquilar ihre Verlobung bekannt geben konnten, geschahen noch einige Dinge, die mit der Vertreibung einer Dunkelelfe zu einem vorläufigen Abschluß kamen. Das Volk schloß sich gegen die vermeintliche Abgesandte des Elfenreichs zusammen und entlarvten sie, doch sie entkam zurück ins Feenreich. Wenig interessant, nach meinem Dafürhalten, ich war mehr damit beschäftigt, Grisu zu bändigen, dessen Klauen schneller wuchsen, als uns allen lieb sein konnte.
Und dann kam es endlich zu jener Ankündigung vor dem Volk, bei der Ian erklärte, daß er um die Hand der Marquesa anhalte und von seinem Anspruch auf den Thron zurücktrete, um sie künftig als Minister im Bereich des Handels und des Militärs zu unterstützen. Der Graf von Sambriet, wohl noch immer argwöhnisch, erklärte seine Unterstützung zu diesem Plan. Tatsächlich, es schien, als wäre der vorläufig bestmögliche Ausgang für Güldenfels erzielt.


Was dann geschah, treibt mir noch jetzt den Schweiß auf die Stirn. Es war diese verfluchte Elfe von den Bettelmönchen, die vortrat und Ian entgegenschleuderte, sie habe Beweise für einen Pakt mit der Dämonenkönigin von Westberg... bevor Ian noch reagieren konnte, schritt die Marquesa ein und forderte Lysande auf, sich mit ihr allein zu unterhalten. Die beiden zogen sich in den Kräutergarten zurück, dessen Durchgang von der Garde bewacht wurde.
Wir Güldenfelser scharten uns um Ian, während sich alle übrigen fragten, welche Beweise die Bettelschwester wohl haben mochte. Wie die Bettelmönche später sagten, handelte es sich dabei um ein magisches Artefakt, einen Halbedelstein mit einem aufgezeichneten Pentagramm...
Einige Augenblicke später ließen die Wachen Graf Ian und den Abt von Llaarmor zu der Marquesa und der Elfin vor.
Niemand weiß genau, was geschah, doch kurz darauf hörte man Waffenlärm, Geschrei, und es verbreitete sich in Windeseile die Nachricht, daß Ian die Bettelmönchin niedergeschlagen habe und geflohen sei!
Vergeblich suchten die Wachen und andere Kämpfer in den Wäldern nach ihm. Wie viele andere, begaben sich auch wir Güldenfelser vor die Burgtore. Langsam wurde klar, daß Ian entkommen war, und es keine Möglichkeit gab, ihn noch aufzufinden.
So kehrten alle bis auf uns in die Burg zurück. Mein eigener Entschluß stand fest: ich würde für eine Weile in die Wälder verschwinden. Landril schloß sich mir an; die anderen wandten sich wieder in Richtung des Hofes. Grisu übergab ich der Obhut von Xenius. Der Jungdrache war wißbegierig, und Xenius wollte versuchen, ihn die Feuermagie zu lehren.


Landril und ich kehrten erst sehr viel später aus den Wäldern zurück; zu diesem Zeitpunkt neigte die Sonne sich schon längst gen Westen. Zurück bei Hofe, erfuhr ich zunächst, daß mein Drache nun Feuer spucken konnte... ich bin nach wie vor froh darüber, daß ich nicht dabei war, als er - wohl unabsichtlich - gerade den Magier anzündete, der ihn eben dies gelehrt hatte. Als ich wiederkehrte, hatte er seinen feurigen Atem schon etwas besser unter Kontrolle. Dennoch herrschte eine gewisse Uneinigkeit darüber, ob man wirklich Versuchen solle, ihm weitere Magie beizubringen -
Die nun grafenlose Fraktion von Güldenfels sammelte sich nach dem Abendessen vor dem Tor der Burg, um das weitere Vorgehen zu erörtern. Wir beschlossen, weiterhin als Gruppe aufzutreten und die Marquesa in ihrem Ringen um den Thron zu unterstützen, in der Hoffnung, daß wir Zusicherungen für Güldenfels erhalten würden, und womöglich einer von uns als Sprecher für die Grafschaft in Frage käme. Immerhin war auf unserer Seite noch immer Grisu, der Drache, und so war unsere Verhandlungsbasis recht günstig. Die Marquesa verhielt sich bemerkenswert kooperativ. Wir sicherten ihr unsere Unterstützung für den Wettstreit zu, der sich für den folgenden Tag abzeichnete, da es unter den Kandidaten für den Thron nun zwei annähernd gleich starke Parteien gab. Glücklicherweise wurden niemand von uns mit Ians Verschwinden in Verbindung gebracht, und jenes mysteriöse Beweisstück tauchte nie wieder auf.


Im Laufe des Abends, während wir die Sache von Aquilar vorantrieben, lernte Grisu der Drache weitere Grundlagen der Magie. Es schien, daß vor meinen Augen das Drachenbaby erwachsen wurde. Glücklicherweise lernte er zugleich, seine Kräfte zumindest einigermaßen im Zaum zu halten, und als Mitternacht näher rückte, war der Drache ein mächtiger Verbündeter.
Was gab es nun für mich zu tun? Da war noch immer jenes Lied, das ich Jandar schuldete, und um dem Unausweichlichen etwas länger zu entkommen, schoß ich mich einer Expedition an, die noch einmal in das Feenreich vordringen wollte.
Über diese Expedition ist schon viel gesagt worden, doch laßt mich an dieser Stelle erklären, daß keine Geschichte darüber so bitter sein kann wie die reine Wahrheit... Es war eine Katastrophe. Mein Glück, daß ich darauf bestand, den Drachen mitzunehmen!
Zwei Magier aus Imrith, ein Kämpfer aus Aquilar, der Drache und ich stolperten durch das Portal. Ein rätselhafter Kobold empfing uns, ein Rabe quälte unsere Ohren und verhöhnte uns.
Wir meisterten eine tückische Falle, nur um uns dann einer Medusa gegenüberzusehen, und wir starrten und starrten... und mehr und mehr von uns starrten mit steinernen Minen. Ich weiß nur noch, wie ich wieder erwachte wie aus einem Schlaf, und man mir erklärte, daß mein Drache uns alle gerettet hatte.
Eine Gruppe von Paladinen und Zauberern hatten ihren Weg durch die dunklen Hallen genommen und waren heldenhaft bis zu uns vorgedrungen.
Wir zogen mit ihnen weiter und erreichten den Hof des dunklen Feenkönigs. Selbst in der Erinnerung erröte ich vor Scham, wenn ich an die qualvollen Minuten denke, die sich zu Stunden dehnten, während der Feenkönig uns verspottete und Zauberer wie Paladine unschlüssig und zögernd vor ihm standen, debattierten, verhandelten, es großzügig überhörten, daß er den Schwan als NICHTIG bezeichnete, überlegten, ob man ihm nicht doch ein Täßchen Tee überreichen solle? Nun übertreibe ich, doch glaubt mir, ich übertreibe nicht sehr.

Schließlich entschlossen sich die übrigen doch noch zum Kampf gegen den König, und nach langer Zeit besiegten sie ihn. Die Toten mit uns schleppend, hasteten wir daraufhin zum Ausgang, da wir spürten, wie unsere Schutzzauber schwächer wurden... Es war die Falle, auf dem Hinweg elegant umgangen, die uns auf dem Rückweg zum letzten und schmählichsten Verhängnis wurde: blind stolpernd, rannte wir hinein, und Felsen und Säulen brachen über uns zusammen.
Der Drache war es, der uns alle dort herausbrachte, bewußtlos oder tot. Ich kam wieder zu mir, stand mühsam auf und schleppte mich zur Burg. Ich bat die Elfe Lysande um Heilung - eine Tatsache, die mir verspätet zu Bewußtsein kam, was zeigt, wie erschöpft ich zu diesem Zeitpunkt bereits war.

Und schon drohte mir neues Ungemach, es war der Zeitpunkt gekommen, mein Versprechen gegenüber Jandar einzulösen... Zu meiner Ehrenrettung sei gesagt, daß ich es wirklich versuchen wollte, ich trat zwischen die beiden meisterhaften Barden, ließ meinen Auftritt ankündigen, und dann stand ich da und brachte keinen Ton heraus...
Nun, es war für alle besser so, glaubt mir: wer ein scheußliches Krächzen hören wollte, der hätte nur ins Feenreich gehen müssen, wo ein gerupfter Rabe, ein elendes Federvieh, den Weg versperrte.
Noch immer war mein Tag nicht vorüber... Erschöpft ließ ich mich zwischen anderen Gefolgsleuten nieder. Wahrlich, ich hätte zu Bett gehen sollten, denn dann wäre ich dem Kobold entgangen, der plötzlich bei Hofe auftauchte. Ich rate euch allen, wenn Ihr ihn je trefft, flieht auf der Stelle, verärgert ihn auf keinen Fall und nehmt KEINE Geschenke von ihm an. Sie mögen nützlich sein, doch ich kann euch versichern, es gibt immer einen Haken dabei. Laßt es einfach.
Glücklicherweise konnte ich die „Kleine Kappe der Macht“ an einen Verbündeten loswerden. Doch das geschah erst am nächsten Morgen.


Ich ging erst zu Bett, als es hell wurde, und stand auf, als die Sonne gerade wieder schien. Für diesen Tag stand die Entscheidung an: der Wettstreit der Thronanwärter, die von ihrem Gefolge unterstützt wurden. Daß die Wendehälse, die sich auch Bettelmönche nennen, kurz vor Beginn des Spektakels die Seiten wechselten, sicherte der Marquesa den Sieg. Wahrlich, ein großartiger Wettstreit, ein großartiger Kampf des Drachen. Ich war eine der ersten, die der neuen Königin gratulierten.
Die Krönung wurde zelebriert. Ich konnte mich noch in letzter Sekunde vor der ewigen Feindschaft des Feuermagiers Jandar bewahren, indem ich anbot, nicht ein Lied, sondern eine Geschichte zum besten zu geben, mochte sie so dürftig sein, wie sie wollte. Ich schied von der Burg mit einer Tasche voller Gold; hatte Aquilar doch gänzlich vergessen, daß man mir den gesamten Rest des Vermögen zum Kauf von Alraunen anvertraut hatte. Ich machte mir nicht die Mühe, jemanden daran zu erinnern. Statt dessen packte ich meine Sachen und zog gen Süden.
Grisu begleitete mich zunächst, doch vor einer Weile trennten sich unsere Wege. Ich hoffe sehr, daß er wiederkehrt, er ist ein treuer Freund und ein starker Beschützer. Und das wäre doch Stoff für Legenden, eine Räubertruppe, die von einem Drachen begleitet wird... Ruhm und Gold werden unser sein.


Ihr glaubt mir die Geschichte über den Drachen nicht? Nun, so seht doch einmal hinaus in die Dunkelheit, nach Süden, wo sich feurige Spiralen im Nachhimmel abzeichnen...